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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

1. August 1918

Der Gesandte und bevollmächtigte Minister im Ministerium des Äußeren Leopold Freiherr v. Andrian-Werburg
"Der Gesandte und bevollmächtigte Minister im Ministerium des Aeußeren Leopold Freiherr v. Andrian-Werburg wurde zum Generalintendanten der Hoftheater ernannt"; © Das interessante Blatt vom 1. August 1918

"Die Stelle eines Generalintendanten ist bei uns ebenso wie bei den großen Hofbühnen des deutschen Reiches eingeführt, war aber seit Jahren unbesetzt. Baron Andrian, der unter gleichzeitiger Ernennung zum Geheimen Rat zum Generalintendanten ernannt wurde, ist in Kunstkreisen eine geachtete und literarisch interessante Persönlichkeit. Sein Jugendwerk, die Novelle 'Garten der Erkenntnis', erregte bei ihrem Erscheinen großes Ansehen und wurde namentlich in den Kreisen des damaligen 'Jung-Wien', das in dem berühmten Literaturcafé Griensteidl Sitz und Stimme hatte, geradezu als das Paradigma einer neuen Kunst hingestellt. Diesem vielversprechenden Erstlingswerk ließ Baron Andrian allerdings keine weitere Arbeit folgen, sondern wendete sich ganz der diplomatischen Laufbahn zu, für die er erzogen worden war."

Am 1. August 1918 berichtete Das interessante Blatt von der von der offenbar wenig überraschenden Bestellung des Diplomaten Leopold Andrian zum Generalintendanten der kaiserlichen Hoftheater, was heute etwa dem Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GmbH entspräche.

Tatsächlich war Andrian eine schon damals schillernde und weit gereiste Persönlichkeit. Sein Vater war Anthropologe und Geologe, seine Mutter die Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer. Schon im Alter von 20 Jahren sollte er 1895 sein heute als Hauptwerk geltendes Werk "Garten der Erkenntnis" veröffentlichen (ursprünglicher Titel: "Fest der Jugend"). Andrian stand in regem Austausch mit Persönlichkeiten aus der Kunst- und Literaturszene, unter ihnen Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt, Alfred Roller, Arthur Schnitzler oder Richard Strauss und wirkte nach dem Ersten Weltkrieg am Konzept der Salzburger Festspiele mit.

Als Diplomat vertrat er Österreich-Ungarn in Athen, Rio de Janeiro, Buenos Aires, Sankt Petersburg, Bukarest und Warschau. 1914 ins Außenministerium nach Wien zurückberufen, war er wesentlich an der Ausarbeitung der Kriegszielpolitik der Monarchie beteiligt, für die er heute fantastisch anmutende Ideen entwickelte, die für Österreich-Ungarn im Falle eines Sieges sogar Überseegebiete vorsahen. 1918 war Leopold Andrian Mitglied der österreichisch-ungarischen Friedensdelegation in Brest-Litowsk.

Ab 1919 lebte Andrian als wohlhabender Privatier und nahm die liechtensteinische Staatsbürgerschaft an. Als Gegner der Nationalsozialisten flüchtete er 1938 über Frankreich, Spanien und Portugal nach Brasilien, um 1945 nach Nizza zurückzukehren, wo seine Frau den Krieg überlebt hatte. Leopold Andrian starb am 19. November 1951 in der Schweiz und wurde in der Familiengruft im steirischen Altaussee begraben.

Links:
Theater und Literatur (Das interessante Blatt vom 1. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Rückkehr des Außenministers aus Brest-Litowsk (15. Februar 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk (20. Jänner 1918)
Weiterlesen: Über Leopold Andrians "Garten der Erkenntnis" (PDF)
Aktuelle Ausstellung: Parallelaktionen. Freud und die Literaten des Jungen Wien (bis 31. Dezember 2018 im Sigmund Freud Museum, Berggasse 19, Wien)

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