Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

Ensemble der Wiener Volksbühne im Herbst 1917
Alexander Moissi (erste Reihe, Mitte) und das Ensemble der Wiener Volksbühne im Herbst 1917; © Wiener Bilder, 9. September 1917

Der spätere Schauspieler Alexander Moissi wurde 1879 in Triest (damals Österreich-Ungarn) geboren, besuchte ein Internat in Graz und übersiedelte als 19-Jähriger nach Wien, wo er ein Gesangsstudium begann. Moissi wurde vom berühmten Burgschauspieler Josef Kainz entdeckt und unter seinem Förderer Max Reinhard zum Star. Frauen umschwärmten Moissi und berühmte Dichter, unter ihnen Franz Werfel, Gerhart Hauptmann, Franz Kafka und Stefan Zweig, bewunderten ihn.

Anfang September 1917 gab Moissi an der Wiener Volksbühne in der Nussdorferstraße 4 (ab 1925 "Colloseum Kino", heute ein Lebensmittel-Supermarkt) ein Gastspiel in Ibsens "Gespenster". Über dieses Gastspiel war unter anderem zu lesen, dass "nach jedem Aktschluss eine große Zahl schulpflichtiger Mädchen zu den Orchesterreihen stürmte und durch Beifallsrufe und unaufhörliches Händeklatschen, Tücherwinken usw. den ernsten Teil des Theaterpublikums belästigte."

Link:
Peinliche Szenen in einem Ibsendrama (Wiener Neues 8 Uhr Blatt vom 4. September 1917)

Soldat bewacht im Freien zahlreiche Kirchturmglocken
Glockenfriedhof in Wilten bei Innsbruck um 1917; © Glockenmuseum Grassmayr

Im Verlauf des Krieges wurden wegen des hohen Bedarfs an Bronze Kirchenglocken in ganz Österreich requiriert und auf sogenannten Glockenfriedhöfen gelagert. In Tirol betraf diese Maßnahme neun von zehn Kirchen. Nur vor dem Jahr 1600 gegossene Glocken blieben verschont. Im Herbst 1917 wurde bekannt, dass in Bälde sogar Kirchenorgeln wegen ihres Zinngehaltes für Kriegszwecke herangezogen werden sollten.

Obwohl sich eine Kommission unter der Leitung des Offiziers Alfred Walcher Ritter von Molthein um die Rettung kunsthistorisch wertvoller Metallgegenstände kümmerte, warnten die Mitglieder der Tiroler "Kommission für Kirchenmusik und bildende Kunst" mit Sitz in Brixen am 5. September 1917 vor einem unsensiblen Vorgehen der Behörden: "Schließlich möchten die gefertigten noch angelegentlichst darauf hinweisen, dass ein allzuradikales Aufräumen bei den Kirchenorgeln noch größere Verbitterung im Volke hervorrufen würde, als dies schon bei den Glocken der Fall war."

Link:
Gutachten betreffs der Heranziehung der Kirchenorgeln für Kriegszwecke (Der Tiroler vom 5. September 1917)

Eine Gruppe von Soldaten sitzt und posiert für ein Foto.
Arnold Schönberg im Militärlager Bruck an der Leitha während des Ersten Weltkrieges (unterste Reihe, 2. von rechts); © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Der dreiundvierzigjährige Komponist und Maler Arnold Schönberg wurde im September 1917 in die k.u.k. Armee einberufen. Er musste allerdings nicht an die Front, sondern diente von September bis Dezember 1917 in einer Militärkapelle. Berühmtheit erlangte er bereits vor Kriegsbeginn mit der Uraufführung des ersten atonalen Werks der Musikgeschichte "II. Streichquartett op. 10". Das Konzert führte in Wien zu einem Skandal. In Bruck an der Leitha komponierte Schönberg für einen launigen Kameradschaftsabend die Marsch-Parodie "Die eiserne Brigade".

Bruck an der Leitha war damals eine niederösterreichische Grenzstadt, Bruckneudorf mit dem Bahnhof sowie die militärischen Anlagen befanden sich bereits östlich der Leitha in Ungarn ("Transleithanien")

Link:
Plan von Bruck an der Leitha und Umgebung vor dem Ersten Weltkrieg

Zwei Fußballspieler während eines Spiels.
Ein scharfer Schuss aufs Tor; © Illustriertes Sportblatt vom 7. September 1917

Am 7. September 1917 berichtete das Illustrierte Sportblatt über ein "Wettspiel in der Kriegsgefangenschaft". Im Kriegsgefangenen-Lager der ostsibirischen Stadt Werchne-Udinsk fand demnach ein Fußballwettspiel zwischen österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen und einer russischen Mannschaft aus Realschülern statt. Nach dem Pausenstand von 2 zu 2 endete das Match 4 zu 4 unentschieden. Jeweils 4 der österreichisch-ungarischen Spieler stammten aus Budapest und Wien, die anderen kamen aus Karlsbad, Konstanz und Komotau. Das "Kriegsgefangenenblatt" aus Werchne-Udinsk, das dem Illustrierten Sportblatt als Quelle diente, berichtete abschließend, dass alle 75 Wiener Kriegsgefangenen "wohlauf" wären.

Rezente Forschungen ergeben, dass die russischen Behörden im Ersten Weltkrieg in Bezug auf die Kriegsgefangenen – trotz immer wieder auftretender Missstände – bemüht waren die Haager Landkriegsordnung einzuhalten und den Gefangenen Sport und kulturelle Betätigung ermöglichten.
Der Historiker Georg Wurzer stellte fest: "Insgesamt läßt sich sagen, dass die russischen Behörden sich im Ersten Weltkrieg bemühten, die international anerkannten Normen zu erfüllen."

Links:
Ein Wettspiel in der Kriegsgefangenschaft (Illustriertes österreichisches Sportblatt vom 7. September 1917)
Weiterlesen: Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland im Ersten Weltkrieg (PDF)

Mehrere Frauen stellen sich an einem Markstand an, um Kartoffeln zu erwerben.
Kartoffelverkauf am Wiener Naschmarkt, Foto vom 8. September 1917; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Im Sommer 1917 wurden in den österreichischen Kronländern die Erdäpfel rationiert und der größte Teil der Ernte behördlich requiriert. Landwirten wurde es behördlich verboten Kartoffeln direkt an Endverbraucher zu verkaufen. Dies traf insbesondere die urbane Bevölkerung, die sich wegen der angespannten Versorgungslage im Krieg immer öfter direkt bei Landwirten mit den notwendigsten Lebensmitteln eindeckte. Kartoffeln durften nunmehr ausschließlich mit einem von der "Kriegsgetreideverkehrsanstalt" ausgestellten Transportschein mitgeführt werden. Personen, die die Gendarmerie oder Finanzwache bei der Verbringung von Erdäpfeln ohne Transportschein antraf, wurden die Lebensmittel abgenommen, außerdem wurden empfindliche Geldstrafen verhängt.

Link:
Das Kartoffelunglück (Böhmerwald Volksbote im September 1917)
Weiterlesen: Den Mangel verwalten

Postkarte eines Einkehrgasthofes im Wald mit Gastgarten
Die ehemalige "Einsiedelei" in Eggenberg bei Graz zwischen 1905 und 1910; © GrazMuseum, Postkartensammlung

Am 9. September 1917 machte die Meldung die Runde, dass das beliebte Ausflugslokal "Einsiedelei" in Eggenberg bei Graz geschlossen wurde, da Diebe "die Platten fast aller Tische losgerissen und das Holz weggetragen haben." Im vierten Kriegsjahr herrschte an fast allen Verbrauchsgütern Mangel, sodass sogar Holz streng rationiert wurde. Dies hatte zur Folge, dass Diebstähle zunahmen.

Die "Einsiedelei" lag hinter dem Schloss Eggenberg nahe an der Endstation der Straßenbahnlinie 5, die im März 1900 in Betrieb ging. Beliebt war auch die in der Nähe der Gastwirtschaft liegende, kleine Tropfsteinhöhle, die an heißen Tagen Abkühlung versprach. An das beliebte Ausflugslokal erinnern heute nur mehr Reste des Fundamentes und Inschriften auf einigen alten Bäumen.

Link:
Schließung der Einsiedelei (Grazer Tagblatt vom 9. September 1917)

Soldaten marschieren an einer Häuserfassade in Villach vorbei.
Eine österreichische Hochgebirgs-Kompanie mit Bergstöcken am Marsch durch Villach, 1917; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Kärnten war im Ersten Weltkrieg ein geographischer Sonderfall, da dessen südliche Außengrenze als einzige der heutigen Bundesländer über weite Strecken eine Frontgrenze war (zwar gab es auch in Tirol eine Front, die sich aber heute in Südtirol bzw. dem Trentino befindet). Wehte der Wind von Süden konnte man den Schlachtenlärm sogar noch in Villach und Klagenfurt hören. Das damals zu Kärnten gehörende Kanaltal wurde im Zuge der Kriegshandlungen verwüstet und zahlreiche Flüchtlinge auf andere Kronländer verteilt.

Im Sommer 1917 verlagerte sich die Frontlinie nach Süden, sodass Flüchtlinge aus Kärnten ab 10. September 1917 wieder zurück in ihre Heimatorte durften. Ausgenommen waren nur Flüchtlinge aus den frontnahen zum Bezirk Villach gehörenden Gemeinden Leopoldskirchen (heute: San Leopoldo Laglesie), Malborghet (heute: Malborghetto Valbruna), Pontafel (heute: Pontebba), Saifnitz (heute: Camporosso) und Uggowitz (heute: Ugovizza) – alle waren damals mehrheitlich slowenischsprachige Orte. Mittellosen Flüchtlingen wurden von der "Zentralstelle der Fürsorge der Kriegsflüchtlinge" bzw. deren Zweigstellen Freifahrtscheine für eine kostenlose Bahnfahrt in den jeweiligen Heimatort ausgestellt.

Links:
"Südtirol, das Küstenland, Kärnten und Dalmatien für Flüchtlinge frei!"  (Fremdenblatt vom 10. September 1917)
Weiterlesen: 1914/2014 – Kärnten: Die Frontstadt Kötschach-Mauthen

Porträtfoto des achtzigjährigen Kunstprofessors William Ungar aus dem Jahr 1917.
Porträtfoto des achtzigjährigen Kunstprofessors William Ungar aus dem Jahr 1917; © Wiener Bilder vom 9. September 1917

Der aus Hannover stammende Künstler William Unger kam 1872 nach Wien, wo er 1881 die Direktion der Kunstgewerbeschule des k.k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, heute das Museum für Angewandte Kunst in Wien (MAK) übernahm. 1894 wurde er als Professor an die Wiener Akademie der Bildenden Künste berufen.

Am 11. September 1917 "feiert er in vollster geistiger und körperlicher Frische seinen 80. Geburtstag", wie die "Wiener Bilder" berichteten. Unger verstarb 1932 im Alter von 95 Jahren in Innsbruck.

Links:
Zum 80. Geburtstag des Altmeisters der Radierkunst (Wiener Bilder vom 9. September 1917)
Einige Werke William Ungers

Bleistiftzeichnung der Ruine Hartenstein.
Burg Hartenstein in Niederösterreich, Beschreibung und Ansicht der Ruine vor dem Umbau 1892, Bleistiftzeichnung von Karl Rosner 1884; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Die Burg Hartenstein liegt im niederösterreichischen Waldviertel, etwa 15 km nordwestlich von Krems. Vermutlich wurde die Burg zur Zeit der Kuenringer im 12. Jahrhundert erbaut und hielt im Dreißigjährigen Krieg 1645 einer Belagerung durch die Schweden stand. 1892 pachtete der Arzt Otto Pospischil die Anlage und richtete in der 1892 renovierten Vorburg eine Kaltwasserheilanstalt ein, während die Hauptburg zur Ruine verkam. Während der nationalsozialistischen Herrschaft diente das Gebäude als Jugendherberge; der Versuch einer Wiederbelebung des Kurbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg scheiterte. Heute ist die Burg Sitz eines Software Unternehmens.

Am 12. September 1917 würdigte die niederösterreichische "Land-Zeitung" das 25-jährige Bestehen der Kuranstalt in einem ausführlichen, gelegentlich ins Elegische gleitenden Artikel. Allerdings übte der Autor leise Kritik an den architektonischen Eingriffen:

"Und vielleicht wird kommen der Tag, wo sich das Alte mit dem Neuen so verallgemeinert haben wird, und die Übergänge durch etwaige vermehrte Zubauten, so wie durch den Edelrost der Zeit so ineinander greifen werden, dass wie bei so vielen alten Bauten, Kirchen und Palästen, die Verschiedenheit nicht mehr als unverzeihlicher Fehler getadelt, sondern als Musterbeispiel aufgestellt werden wird, für die Anpassungsmöglichkeit und Ergänzungsfähigkeit der aus verschiedenen Zeitepochen herrührenden Stilarten."

Link:
Zum 25jährigen Bestehen der Kuranstalt (Österreichische Land-Zeitung vom 12. September 1917)

Große Gruppe junger Frauen und Männern posieren in Badeanzügen für ein Gruppenfoto.
"Eine lustige Gesellschaft im Strandbad Gänsehäufel" im unerwartet milden Herbst des Jahres 1917; © Das interessante Blatt vom 13. September 1917

Ende des 18. Jahrhunderts entstanden erstmals Freibäder an der Donau. Wohlhabende Wienerinnen und Wiener badeten in dem nach dessen Gründer dem Arzt Pascal Joseph Ferro benannten "Ferro-Bad" in der Nähe des Augartens, während weniger Wohlhabenden die kostenlosen "Armenbäder" zur Verfügung standen. 1810 wurde in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt das Dianabad errichtet, das nach einem Umbau 1842 über die größte Schwimmhalle Europas verfügte.

Im Zuge der Donauregulierung errichtete die Stadt Wien 1876 in der Nähe der Reichsbrücke das "Wiener Kommunalbad", das bald als das schönste Freibad Europas gelten sollte. 337 "Badezellen" (Kabinen), 859 "Kleiderschränke" (Garderobekästchen), ein Restaurant, ein Kaffeehaus, eine Tabak-Trafik, eine Wäscherei, mehrere Liegewiesen und Sonnenbäder standen den Gästen zur Verfügung. Im Kommunalbad fand 1898 das "Internationale Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläums-Wettschwimmen statt", das als Vorläufer der Schwimmeuropameisterschaften gilt.

1900 richtete der Naturheilkundler Florian Berndl einen Badebetrieb am "Gänsehäufel" an der Alten Donau ein, der bald auf Kritik stoßen sollte, da es keine getrennten Badebereiche für Frauen und Männer gab. Aus diesem Grund wurde Berndls Pachtvertrag nicht verlängert und der Badebetrieb 1907 von der Stadt Wien übernommen. Das nach den Kriegszerstörungen 1950 wiedereröffnete und mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Gänsehäufel ist heute das meistbesuchte Freibad Wiens.

Link:
Strandbilder (Das Interessante Blatt vom 13. September 1917)