Im Ersten Weltkrieg übernahm die militärische Führung die Kontrolle über die Informationserstellung, indem schon unmittelbar nach Beginn der Kampfhandlungen im Kriegsministerium das "Kriegsüberwachungsamt" eingerichtet wurde, dem auch die Pressezensur oblag. Zeitungsherausgeber mussten dem "Kriegsüberwachungsamt" rechtzeitig Pflichtexemplare ihrer Zeitungen zur Überprüfung zukommen lassen; militärische Nachrichten durften überhaupt erst nach Zulassung durch das "Kriegspressequartier" bzw. des Kriegsministeriums veröffentlicht werden. Medienvertreter wurden ab 1915 täglich am späten Nachmittag in den Räumen des "Kriegsüberwachungsamtes" über die verordneten Sprachregelungen informiert.
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Das zensurierte Wiener Montag-Journal vom 24. September 1917
Weiterlesen: Das Kriegsüberwachungsamt und die Pressezensur
Am 25. September 1917 wurde die Bilanz der "Österreichischen Waffenfabriksgesellschaft" in Oberösterreich (ab 1926 Steyr Werke) veröffentlicht, in der am Höhepunkt des Krieges 20.000 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt waren. Der Reingewinn betrug für das Jahre 1916 und 1917 jeweils um die 18 Millionen Kronen: Zieht man den Wert der Krone vor Kriegsbeginn 1914 heran, entspricht diese Summe der Kaufkraft von etwa 99 Millionen Euro.
Vor Beginn des Ersten Weltkrieges entsprach die Kaufkraft einer Krone 5,50 Euro. Wegen der kriegsbedingten Inflation sank der Wert der Krone 1916/17 auf etwa einen Euro, sodass der Reingewinn der "Österreichischen Waffenfabriksgesellschaft" inflationsbedingt nur mehr bei etwa 18 Millionen Euro lag.
Die aufgeblähten Strukturen, die in Steyr während des Krieges geschaffen wurden, belasteten das Werk noch viele Jahre nach Kriegsende. Trotzdem glückte die Umstellung von der Waffen- zur Automobilherstellung, die ein technischer Erfolg wurde.
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Bilanz der Österreichischen Waffenfabriksgesellschaft (Jörgel Briefe vom 25. September 1917) Inflationscockpit der Österreichischen Nationalbank
Die Waffenfabrik in Steyr
Am 26. September 1917 machte sich die Karnisch-Julische Kriegszeitung viele Gedanken über die Zukunft des Fremdenverkehrs in Kärnten, von dem sie fürchtete, dass er sich nach dem Krieg nur schwer erholen würde:"…wir müssen uns darüber klar werden, dass erstens derzeit dreiviertel der Menschheit unser Feind ist und dass man daher nicht erwarten kann, dass die Leutchen, die heute gegen uns kämpfen, in einigen Monaten nichts dringenderes zu tun haben werden, als uns aufzusuchen… Man darf also nur damit rechnen, dass Angehörige der uns verbündeten Staaten, Deutschland, Bulgarien und die Türkei, uns besuchen werden. Zuviel aber darf man sich auch davon nicht erwarten. Denn nach dem Kriege wird es in demselben nicht zu viel Menschen geben, die Lust und Gelegenheit zu Vergnügungsreisen haben werden. Jeder wird bei sich alle Hände voll zu tun haben und wird sich höchstens eine Erholungsreise gönnen, die ihn eher in die Schweiz oder nach Tirol als nach Kärnten führen wird."
Tatsächlich litt Kärnten nach 1918 schwer an den Folgen des Krieges, insbesondere wegen der Versorgungsmängel, der abgeschnittenen Handelsverbindungen in die ehemaligen Gebiete der Monarchie und wegen der gesellschaftspolitischen Spannungen.
Ab Mitte der 1920er Jahre entspannte sich die Lage jedoch, was auch dem Fremdenverkehr zugutekam: 1925 wurde der Flughafen Klagenfurt eröffnet, 1927 die Nassfeldhütte auf dem Nassfeld im Gailtal und 1928 wurde das Klagenfurter Strandbad ausgebaut. Die Touristenzahl, die 1923 noch bei etwa 11.000 Gästen lag wuchs sprunghaft an, erreichte 1926 die Zahl 165.000, die sich in den nächsten beiden Jahrzehnten noch einmal mehr als verdoppelte.
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Gedanken über den Fremdenverkehr in Kärnten (Karnisch-Julische Kriegszeitung vom 26. September 1917)
Es wäre nicht Wien, wenn nicht um das Theater gestritten würde. Bis zum Tag der deutschsprachigen Uraufführung von Gabryela Zapolskas Schauspiel in 3 Akten "Der Zarewitsch" wurde um den Ort der Aufführung vor Gericht gestritten. Schlussendlich erhielt das Deutsche Volkstheater in Wien den Zuschlag. Die weibliche Hauptrolle wurde von der aus Lübeck stammenden und neu an das Volkstheater engagierten Thea Rosenquist gegeben: "Hier ist Schönheit und Talent" urteilte "Das interessante Blatt" am 27. September 1917, ähnlich die Reichspost: "Das neue Frl. Rosenquist erweist sich in der weiblichen Hauptrolle als eine anmutige, feinfühlige Künstlerin. Ihr Wort ist schön und innig, ihre Gebärde beseelt."
Die 1896 in Lübeck geborene Thea Rosenquist kam 1917 nach Wien ans Volkstheater und blieb Wien zeitlebens verbunden. 1923 heiratete sie den Industriellen Leon Körner, nahm dessen Namen an und zog sich vom Theater zurück. Bis 1938 lebte das Ehepaar in einer bis heute bestehenden Villa in der Kahlenbergerstraße 141. Nach der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland floh die jüdische Familie 1938 nach Kanada. Drei Schwestern wurden in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet.
Thea und Leon Körner ließen sich in Vancouver nieder, wo Leon Körner an seinen wirtschaftlichen Erfolg in der Holzindustrie anknüpfen konnte. Aus Dankbarkeit für die Aufnahme in Kanada gründete das Ehepaar Körner eine große Anzahl von Stiftungen, darunter die "Leon und Thea Koerner Foundation" , das "Student Graduate Centre" mit "Thea’s Pub" an der University of British Columbia, deren Bibliothek nach Leons Bruder Walter Koerner benannt ist. Auch das Museum of Anthropology in Vancouver geht auf Stiftungen der Koerners zurück. Thea starb 1959, Leon folgte ihr 1972. Ein kleiner künstlerischer Nachlass befindet sich als Leihgabe im Österreichischen Filmarchiv in Wien.
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Vom Theater (Das interessante Blatt vom 27. September 1917)
Am 28. September 1917 veröffentlichte die Illustrierte Kronen Zeitung eine Prognose für die Weinernte des Jahrganges 1917. So sollen europaweit ungefähr 130 Millionen Hektoliter Wein produziert worden sein. Im Vergleich zum Vorjahr also um fast 47 Millionen Hektoliter mehr, in Österreich-Ungarn sogar die dreifache Menge des Jahres 1916. Die außergewöhnliche Weinernte wurde unter anderem auf den besonders trockenen Sommer zurückgeführt.
Die Zeitung warnte die Weinhändler, dass sie ihren Kunden und speziell ihren Landsleuten die Produkte nicht zu teuer zu verkauften: "Wenn man schon der Kriegslage Rechnung trägt, die alles verteuert, so glauben wir, dass jeder Produzent reichlichen Ertrag für seine Produktion findet, wenn er sich vorläufig mit den gleichen Preisen, die in der vorjährigen Lese bezahlt wurden, begnügt, denn es wird ihm so noch immer sein Wein nahezu um das Dreifache teurer bezahlt."
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Die heurige Weinernte (Illustrierte Kronen Zeitung vom 28.09.1917)
Am 29. September 1917 berichtete die Illustrierte Kronen Zeitung über eine "wundersame Rettung eines Kindes" in der Steiermark. Maschinenführer Rampl, ein Angestellter der steirischen Landesbahn Kapfenberg – Au-Seewiesen, wurde zum unfreiwilligen Lebensretter: Während der Fahrt bemerkte er in nur 10 Metern Entfernung ein spielendes Kind auf den Gleisen und leitete mit "Kontradampf" eine Vollbremsung ein, konnte den Zug aber nicht mehr zum Stehen bringen und überrollte das Kind. Wie durch ein Wunder blieb das Kind unter der Lokomotive ganz unverletzt.
Die Steiermärkischen Landesbahnen wurden 1890 als "Steiermärkisches Eisenbahnamt" zur Verwaltung mehrerer steirischer Regionalbahnen gegründet. Bis 1918 betrieb das Eisenbahnamt auch mehrere Lokalbahnen in der damaligen Untersteiermark, heute in Slowenien. 1920 bis 1926 und wieder ab 1954 lautet die Bezeichnung "Steiermärkische Landesbahnen".
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Wunderbare Rettung eines Kindes (Illustrierte Kronen Zeitung vom 29. September 1917)
Aufgrund der kritischen Versorgungslage musste die österreichische Bevölkerung gegen Ende des 1. Weltkriegs zu immer kreativeren Lösungen greifen, wenn es darum ging die Versorgung mit Lebensmittel und Heizmaterial in den eigenen vier Wänden aufrecht zu erhalten.
Am 30. September berichteten mehrere illustrierte Blätter, darunter auch "Sport und Salon", das sich besonders mit der Welt der Adeligen, gesellschaftlichen Ereignissen, Mode und Sport beschäftigte, über eine neuartige Verwertungsmethode für altes Zeitungspapier: Dieses sollte mit einer eigens dafür produzierten Maschine in kleine Briketts gepresst werden und so als billiger Kohleersatz verwendet werden.
Heute sind "Papierbriketts" in Österreich gesetzlich verboten, da sie bei ihrer Verbrennung große Mengen gefährlicher Luftschadstoffe wie etwa Feinstaub oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe erzeugen, die für Menschen eindeutig krebserregend sind.
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Anfertigung von Kohle aus Zeitungspapier (Sport und Salon vom 30. September 1917)
Am 1. Oktober 1917 berichteten einige Wiener Zeitungen über den dreijährigen Franz, der beim Spielen mit anderen Kinder in der Nähe der Mollardmühle als einziger nicht mehr wusste, wie er nach Hause kommen sollte und seit 27. September auf der Polizeikommissariat auf seine Eltern wartete. In einem der Bericht heißt es: "Das Polizeiamt bemühte sich seither die Eltern des Knaben auszuforschen, doch ist es bisher nicht gelungen. […] Der Knabe aber ist zu klein, um selbst Auskunft geben zu können. So viel man aus ihm herausbringen kann, wird er Franz genannt."
Die Mollardgasse war vor dem Ersten Weltkrieg eine der ärmsten Gegenden Wiens und grenzte an den sogenannten "Ratzenstadel". Erst nach 1918 besserte sich die Situation in Wien durch die forcierte Errichtung von Horten, Kindergärten und Kinderfreibädern, um der Verwahrlosung von Kindern auf der Straße vorzubeugen.
Der kleine Franz musste einige Nächte am Polizeikommissariat verbringen, wurde aber am 4. Oktober von seinen Eltern gefunden.
Link:
Wem gehört der kleine Franz? (Neue Zeitung vom 1. Oktober 1917)
Auf einen kalten Winter – in Kärnten wurde am 30. Jänner 1917 mit 363 cm die höchste bis heute in Österreich gemessene Schneehöhe in Tallagen gemessen – folgte 1917 der bis dahin wärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Österreich im Jahre 1767. Noch Anfang Oktober 1917 war es mit durchschnittlich 20° noch immer sehr warm. Am 2. Oktober wurde über die Hitzewelle berichtet: "Seitdem die Wiener Wetteraufzeichnungen geführt werden kommt ihm gewiß kein anderer Sommer gleich. [….] Man merkt noch nicht, daß der Oktober da ist."
Die wärmste in Österreich an einer Messstation der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) bislang gemessene Temperatur wurde übrigens am 8. August 2016 in Bad Deutschaltenburg (Niederösterreich) mit 40,5° erreicht. Als ältester staatlicher Wetterdienst der Welt liefert die ZAMG seit 1851 Daten zu seismischen und meteorologischen Aktivitäten in ganz Österreich.
Link:
Der endlose Sommer (Arbeiterzeitung, vom 2. Oktober 1917)
Am 3. Oktober 1917 wurde an der Hofoper in Wien der Rosenkavalier von Richard Strauß gegeben. Strauß sollte übrigens zwei Jahre später Direktor der heutigen Staatsoper werden.
In der Rolle des Octavian ("genannt Quinquin, ein junger Herr aus großem Haus") trat an diesem Abend die Sopranistin Marie Gutheil-Schoder auf. Die Tochter eines Gastwirts aus Weimar in Deutschland debütierte 1891 als Gabriel in Goethes Faust an der Weimarer Hofoper. Dort wurde sie von Richard Strauß entdeckt und gefördert. Gustav Mahler holte Gutheil-Schoder 1900 an die Wiener Oper, wo sie wegen ihrer temperamentvollen Schauspielkunst die "denkenden Sängerin" genannt wurde. 1925 wurde Gutheil-Schoder Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, sie inszenierte bei den Salzburger Festspielen und unterrichtete am Salzburger Mozarteum.
So beschrieb das Salzburger Volksblatt Marie Gutheil-Schoders Stil: "Während andere Sängerinnen sich dem Vorspiel gegenüber völlig teilnahmslos verhalten, als ginge es sie gar nichts an setzt die Kunst der Gutheil-Schoder schon mit dem ersten Ton ein, der vom Klavier erklingt. Ihr Ausdruck besagt, daß sie sich von den Klängen tragen läßt oder sie führt. Beim Zuhörer stellt sich nun die deutliche Empfindung ein, die Gutheil-Schoder brauche überhaupt nicht zu singen, aus ihrer Miene, der Kopfhaltung, dem Emporziehen der Achseln, dem Strecken des Körpers, aus der Bewegung der Finger allein würde man schon mit größter Deutlichkeit erkennen, um was es sich handelt."
In Wien ist der Name Gutheil-Schoder heute wohlbekannt, da seit 1961 eine Straße im Bezirk Favoriten nach ihr benannt ist, an der sich auch Haltestellen der Wiener Linien und der Badener Bahn befinden.
Link:
Volksliedabend Gutheil-Schoder (Salzburger Volksblatt vom 20. März 1918)