Die sozialdemokratische Zeitung "Arbeiterwille" berichtete am 6. Oktober 1917, dass ein elfjähriger Bub im Flüchtlingslager Wagna bei Leibnitz von einem Gendarmen erschossen wurde, nachdem dieser Steine auf ihn geworfen hatte. Im Lager Wagna waren zwischen 1914 und 1918 bis zu 21.000 Kriegsflüchtlinge vorwiegend aus den italienischen Teilen der Monarchie untergebracht. Im Lager starben fast 3.000 Menschen an Cholera, Thyphus und Fleckfieber. Ein eigener italienischer Friedhof wurde errichtet. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie entstand aus diesem Flüchtlingslager die Siedlung Wagna.
Der "Arbeiterwille" thematisierte die schlechten Lebensbedingungen im Lager und folgerte, dass "dieser Mord […] ein entsetzliches Streiflicht auf die Verhältnisse im Flüchtlingslager [werfe]." Eine andere Meinung vertrat dazu der deutschnationale steirische Landtagsabgeordnete August Einspinner: "Entweder Ordnung und Schutz der einheimischen Bevölkerung oder weg aus dem Lande mit Leuten, die sich nicht einordnen wollen in die Gesetze und Sitten." In der von 1915 bis 1918 täglich außer montags erscheinenden Lagerzeitung für Wagna wurde der Vorfall mit keinem Wort erwähnt.
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Mannlichergewehre zur Jugendfürsorge (Arbeiterwille vom 6. Oktober 1917)
Weiterlesen: Flucht und Vertreibung
Am 5. Oktober 1917 berichteten die lokale Presse über einen Waldbrand im Wiener Vorort Neuwaldegg, bei dem drei Hektar Wald und einige Maisäcker zerstört wurden. Die Feuerwehr wurde bei der Löschung des Brandes von zweihundert Soldaten unterstützt. Die Wiener Berufsfeuerwehr wurde durch eine Verordnung vom 25. Juli 1914, eine Woche vor Beginn des 1. Weltkriegs "staatlich geschützt", sodass Freiwillige Feuerwehren mit Telegraphisten, Kutschern, Heizern und Maschinisten der Berufsfeuerwehr ergänzt wurden. Löscheinsätze über die Stadtgrenze hinweg wurden eingeschränkt und wurden nur mehr nach persönlichem Ansuchen des jeweiligen Bürgermeisters wahrgenommen.
Obwohl man versuchte, die in Wien während des Krieges eintretende Personalnot durch die Aufnahme von Mannschaften, Pferden und Wagen aus Czernowitz auszugleichen, standen 1917 nur noch 337 Mann für den Dienstbetrieb zur Verfügung.
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Waldbrand in Neuwaldegg (Illustrierte Kronenzeitung vom 5. Oktober 1917)
Am 6. Oktober 1917 kündigte das "Fremdenblatt" ein Fußballspiel der Extraklasse an: Rapid Wien werde in Wien-Hütteldorf tags darauf den Prager Deutschen Fußballclub zu Gast haben. Die legendäre Spielstärke der Prager Mannschaft während des Kriegs aufrecht zu erhalten war nicht einfach: "Die Prager, eine in Wien stets gern gesehene Mannschaft, haben durch den Krieg anfangs an Spielstärke bedeutend verloren und mußten, mit Ausnahme einiger weniger daheim gebliebener routinierter Spieler die Mannschaft aus sehr jungem Material ergänzen, um sie mühevoll zu jener Spielstärke zu führen, die dem Namen des Prager D.F.C. im sportlichen Leben des Kontinents seine bedeutsame Stellung verschaffte."
In den Meisterschaftssaisonen der Jahre 1916/17 und 1917/18 führten die Kriegsereignisse zu einem Zusammenrücken des österreichischen Verbandes mit seinem tschechischen Pendant, dem Cesky Svaz. So wurde im Juli 1916 die Auflösung des Cesky Svaz beschlossen und zahlreiche tschechische Vereine traten ab Oktober 1916 dem österreichischen Verband bei. Im Jänner 1917 wurde ein gemeinsamer deutsch-tschechischer Verband für Böhmen innerhalb des österreichischen Verbandes mit dem D.F.C. Prag, Sparta Prag, Slavia Prag und Viktoria Zizkov gegründet. Rapid ging gegen die Prager übrigens mit 1:8 unter… Am selben Tag fand in Budapest außerdem auch das Länderspiel Ungarn gegen Österreich statt (2:1).
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Das "Neue Wiener Tagblatt" kündigt die Begegnung zwischen Rapid und dem DFC Prag an (Neues Wiener Tagblatt, Tagesausgabe vom 6. Oktober 1917)
Am 7. Oktober 1917 wurde von einem bis dato einzigartigen Ereignis berichtet: "Zum erstenmal ist ein italienisches Großkampfflugzeug, ein Caproni, bis in die Untersteiermark gelangt. Es ist in der Nähe von Marburg abgestürzt und gänzlich verbrannt." Die italienische Luftwaffe setzte diesen 160 Stundenkilometer schnellen aus Holz und textilen Materialien gebauten Flugzeugtyp hauptsächlich zur Bombardierung von Zielen in Österreich-Ungarn ein. Die "Caproni" wurde aber auch von den britischen, französischen und US-amerikanischen Streitkräften eingesetzt.
Nach dem Krieg sollte auf Basis des Bombers ein Zivilflugzeug entstehen, allerdings stürzte im August 1919 eine modifizierte Caproni Maschine im Zuge eines Testfluges ab. 17 Menschen kamen bei diesem bis dahin schwersten Unfall der noch jungen Luftfahrtgeschichte ums Leben.
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Der verbrannte Caproni. Die Insassen des Flugzeuges geflüchtet (Österreichische Volkszeitung vom 7. Oktober 1917)
Auf den ehemaligen Ottakringer Steinbrüchen, von denen sich der Name "Steinhof" ableitet, wurde am 8. Oktober 1907 die von Otto Wagner geplante niederösterreichische Landesheil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke eröffnet. Der 10. Jahrestag der Eröffnung des "Steinhof" wurde am 8. Oktober 1918 in der Presse gewürdigt. Zur Zeit ihrer Errichtung war die Heilanstalt am Steinhof das größte psychiatrische Krankenhaus der Welt. Die Errichtungskosten betrugen 21 Millionen Kronen, was einem heutigen Wert von etwas mehr als 126 Millionen Euro entspricht. Die Anstalt beherbergte 1917 inklusive Personal 5000 Personen; die Mahlzeiten aus zwei Küchengebäuden wurden mit einer elektrischen Kleinbahn über ein mehr als 7 Kilometer umfassendes Gleisnetz zu den mehr als 70 Pavillons und Nebengebäude transportiert.
Die Anstaltskirche, die heute als "Otto Wagner Kirche" bezeichnet wird, zählt zu den bedeutendsten Jugendstilbauten Wiens, wurde damals aber wegen ihrer Modernität angefeindet und hätte deshalb niemals in der Stadt errichtet werden können. Am 8. Oktober 1907 bemerkte dazu die Neue Freie Presse: "Und ist es nicht eine hübsche Ironie des Schicksals, dass so ziemlich das erste vernünftige sezessionistische Gebäude großen Stils in Wien für die Irrsinnigen gebaut worden ist?"
Während der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 wurden in der damals "Am Spiegelgrund" genannten Nervenheilanstalt zahlreiche Euthanasiemorde begangen. Eine Gedenkstätte sowie eine Ausstellung zur Geschichte der NS-Medizin in Wien erinnern an diese dunkle Zeit.
Heute wird die Anstalt am Steinhof vom Wiener Krankenanstaltenverbund unter der Bezeichnung "Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe Otto-Wagner-Spital und Pflegezentrum" geführt.
Links:
Zehn Jahre Steinhof (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 10. Oktober 1917)
Inflationscockpit der Österreichischen Nationalbank
Schon im frühen Stadium des Ersten Weltkrieges wurde der "Invalidenschulung" große Bedeutung beigemessen, da sehr bald klar wurde, dass dieser Krieg eine noch nie dagewesene Menge an kriegsbeschädigten Personen hinterlassen würde. Die Invalidenschulungen wurden auch intensiv propagandistisch genutzt und als Allheilmittel für alle möglichen Probleme dargestellt: Heilung, Wiedergutmachung, Integration in den Arbeitsmarkt; quasi als Gegenstück zum zerstörerischen Krieg.
Die Invalidenschulungen wurden von dafür eingesetzten Landeskommissionen organisiert, die in der Regel zentrale Heilanstalten mit angegliederten Unternehmen betrieben. In Niederösterreich war dies das "Reservespital Nr. 11" in Wien, Gassergasse 44 – 46. Neben Invalidenschulungen, die über ganz Österreich verteilt waren, erlangte die dem Reservespital 11 angeschlossene "Invalidenstadt" in Wien Favoriten, Schleiergasse 17, Modellcharakter für die ganze Monarchie.
In dieser auf Initiative des Orthopäden Hans Spitzy eingerichteten Anstalt, die als einzige in der Monarchie über die gesamte Palette der medizinischen und ausbildungstechnischen Ausstattung verfügte, wurden bis Kriegsende 24.000 Invalide aus allen Teilen Österreich-Ungarns geschult.
Links:
Welkriegshelden als künftige Kellermeister (Das Neuigkeits-Welt-Blatt vom 9. Oktober 1917)
Weiterlesen: Verena Pawlowsky, Harald Wendelin, Die Wunden des Staates, Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914-1938 (PDF)
Am 10. Oktober 1917 warnte der Allgemeine Tiroler Anzeiger davor Feldpostkarten für zivile Zwecke zu missbrauchen. Sollten solche "zivil missbrauchte" Postkarten erkannt werden, würden diese nicht zugestellt und außerdem vernichtet werden.
Grund für den Missbrauch war die Tatsache, dass Feldpostkarten kostenlos transportiert und zugestellt wurden. Im Ersten Weltkrieg wurden in Österreich geschätzte knapp 30 Milliarden Feldpostkarten und Feldpostbriefe zwischen der Front und der "Heimatfront" ausgetauscht, also fast 17 Millionen pro Tag (Bachinger, Dornik, Jenseits des Schützengrabens). Abgewickelt wurde die Feldpost von etwa 700 Feld- und Etappenpostämtern mit etwa 2800 Bediensteten.
Neben reiner Information vermitteln heute Feldpostkarten, die aufgrund ihrer schieren Menge von der Zensur nur stichprobenartig geprüft werden konnten, emotionale Erfahrungen, Gefühle und ähnliches mehr, sodass sie für die Sozial- und Geschichtswissenschaften wichtige Quellen darstellen.
Links:
Grüne Feldpostkarten dürfen von Zivil nicht verwendet werden! (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 10. Oktober 1917)
Weiterlesen: Kriegsführung mittels Feldpost
Im Wiener Volkstheater wurde im Oktober 1917 die Komödie "Panik der Herzen" von Alfred Fekete gegeben. Sowohl Presse als auch das Publikum waren vom Stück wenig angetan. Das interessante Blatt brachte das am 11. Oktober 1917 recht deutlich zum Ausdruck: "Herr Fekete hat sich, noch ehe man seine Arbeit kannte, interviewen lassen und dabei über sein Verhältnis zur Kunst gesprochen. Bei der Première zeigte es sich aber dann, daß dieses Weib mit Herrn Fekete bisher kein intimes Verhältnis gehabt hat. Herr Fekete mag ja für die Kunst schwärmen, ja, sie sogar anbeten, erhört hat sie ihn jedenfalls noch nicht."
Der Abend wurde allerdings von den Schauspielerinnen und Schauspielern gerettet; insbesondere von Traute Carlsen, die "ausgelassen" und mit "quellfrischer Ursprünglichkeit" auf der Bühne agierte.
Traute Carlsen stammte aus Dresden und gab 1917 ein Gastspiel am Deutschen Volkstheater in Wien. Sie war damals mit dem Wiener Schauspieler Karl Forest verheiratet, von dem sie sich allerdings bald trennen sollte. Da sie jüdischer Herkunft war, zog sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in die Schweiz, wo sie sich dauerhaft niederließ und 1968 in Küßnacht verstarb.
Karl Forest, nach dem heute eine Straße im 22. Wiener Gemeindebezirk benannt ist, wurde siebzigjährig im Rahmen der NS-Euthanasie im Pflegeheim Lainz am letzten Maitag 1944 durch eine Luftinjektion ermordet.
Link:
Deutsches Volkstheater. Zum ersten Mal: "Panik der Herzen" (Das interessante Blatt vom 11. Oktober 1917)
Am 12. Oktober 1917 veröffentlichte das Fremdenblatt den ersten Teil einer kurzen Feuilleton-Serie über "Kärnten im Kriege", in der über den Kriegsalltag - unter anderem in Klagenfurt - berichtet wurde.
Zwar wurde ein propagandistischer Ton angeschlagen, aber zwischen den Zeilen wird das Grauen des Krieges sichtbar: "Sonnenbeschienen und heiter liegt die liebliche, kleine Stadt, die sich stolz die Landeshauptstadt des Herzogtums Kärnten nennt, vor meinen Blicken, überdacht von einem südlich blauen Himmel, an dem sich silbrige Spuren schimmernder Flugzeuge hinziehen. Dreimal täglich empfängt Klagenfurt den freundlichen Gruß unserer Aufklärungsflieger, ohne ihm besondere Beachtung zu schenken, während uns Fremden aus dem Hinterland der surrende Ton in den Lüften in Erinnerung bringt, daß wir uns im Etappenbereich befinden und unmittelbar hinter den Bergen der Krieg lauert, um sprungbereit seine Krallen in blühendes Fleisch zu graben und mit rauem Atem jugendliches Leben auszublasen. Hie und da – meist nur in der stillen Nacht – und frühen Morgenstunden – dringt über die schützende Bergkette ein Schall aus jener Welt der Zerstörung, um sich leise grollend dem hellen Klang der Arbeit beizumischen, die hier in der Etappe unermüdlich am Werke ist, neue Werte an Stelle der im Kampfe vernichteten zu schaffen."
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Bilder aus Kärnten im Kriege (Fremden-Blatt vom 12. Oktober 1917)
Nach dem schneereichsten bis heute gemessenen Winter in Österreich (Jänner 1917) und dem darauffolgenden heißesten bis dahin gemessenen Sommer sowie dem warmen Herbst, der bis in die ersten Oktobertage 1917 reichte, schlug das Wetter plötzlich um. In Steyr, wo der Umschwung besonders bemerkenswert verlief, wurden am 13. Oktober nur mehr zwischen 3 und 5 Grad gemessen.
Das Linzer Volksblatt berichtete am 13. Oktober von den Ereignissen, die diesen Wetterumschwung 2 Tage vorher eingeleitet hatten: "Morgens Regen, vormittags etwas Sonne, nach 1 Uhr mittags ein kurzes Gewitter, und um halb 3 Uhr nachmittags Schneegestöber, welches zwei Stunden währte und Stadt und Umgebung in die schönste Winterlandschaft verwandelte. Zugleich trat nachmittags eine Störung in der elektrischen Stromleitung ein, welche bis halb 7 Uhr abends andauerte und viele gewerbliche und Fabrikbetriebe zum Stillstand brachte. Dem Schneefall folgte wieder Regen."
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Steyr, 11. Oktober. Heute gab es einen besonders wetterwendigen Tag (Linzer Volksblatt vom 13. Oktober 1917)