Am 3. Oktober 1917 wurde an der Hofoper in Wien der Rosenkavalier von Richard Strauß gegeben. Strauß sollte übrigens zwei Jahre später Direktor der heutigen Staatsoper werden.
In der Rolle des Octavian ("genannt Quinquin, ein junger Herr aus großem Haus") trat an diesem Abend die Sopranistin Marie Gutheil-Schoder auf. Die Tochter eines Gastwirts aus Weimar in Deutschland debütierte 1891 als Gabriel in Goethes Faust an der Weimarer Hofoper. Dort wurde sie von Richard Strauß entdeckt und gefördert. Gustav Mahler holte Gutheil-Schoder 1900 an die Wiener Oper, wo sie wegen ihrer temperamentvollen Schauspielkunst die "denkenden Sängerin" genannt wurde. 1925 wurde Gutheil-Schoder Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, sie inszenierte bei den Salzburger Festspielen und unterrichtete am Salzburger Mozarteum.
So beschrieb das Salzburger Volksblatt Marie Gutheil-Schoders Stil: "Während andere Sängerinnen sich dem Vorspiel gegenüber völlig teilnahmslos verhalten, als ginge es sie gar nichts an setzt die Kunst der Gutheil-Schoder schon mit dem ersten Ton ein, der vom Klavier erklingt. Ihr Ausdruck besagt, daß sie sich von den Klängen tragen läßt oder sie führt. Beim Zuhörer stellt sich nun die deutliche Empfindung ein, die Gutheil-Schoder brauche überhaupt nicht zu singen, aus ihrer Miene, der Kopfhaltung, dem Emporziehen der Achseln, dem Strecken des Körpers, aus der Bewegung der Finger allein würde man schon mit größter Deutlichkeit erkennen, um was es sich handelt."
In Wien ist der Name Gutheil-Schoder heute wohlbekannt, da seit 1961 eine Straße im Bezirk Favoriten nach ihr benannt ist, an der sich auch Haltestellen der Wiener Linien und der Badener Bahn befinden.
Link:
Volksliedabend Gutheil-Schoder (Salzburger Volksblatt vom 20. März 1918)