Am 10. Februar 1918 berichtete die Allgemeine Automobil-Zeitung über den Prozess um einen tödlichen Verkehrsunfall, dem der Tondichter und Chordirigent Karl Griesbacher zum Opfer gefallen war. Letzterer war beim Überqueren der Wiener Universitätsstraße von einem rückwärtsfahrenden Automobil niedergestoßen und tödlich verletzt worden. Nachdem das Erstgericht der Witwe Schmerzensgeld zugesprochen hatte und dem Chauffeur wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitschuld an dem Unfall gegeben hatte, kam der Oberste Gerichtshof zu einem auch für die damalige Zeit bemerkenswerten Urteil und gab dem Passanten die Alleinschuld an dem Unfall:
"In der Begründung wird hervorgehoben, es könne einem Fahrmann nicht zugemutet werden, neben der Bedienung des Motors auch noch stets nach rechts und links zu sehen, wozu noch kommt, daß er beim Rückwärtsfahren auch noch stets nach rückwärts sehen müßte. Die Zuhilfenahme einer dritten Person beim Rückwärtsfahren sei aber nirgends vorgeschrieben. Es liegt also Alleinverschulden des Verunglückten vor. Wer in einer Großstadt von einer zum Ueberschreiten der Fahrbahn nicht bestimmten Stelle das Trottoir verläßt und die Straße überquert, müsse selbst jene erhöhte Aufmerksamkeit anwenden, die von jedermann unter derartigen Umständen verlangt werden kann. Die Fahrbahn in einer Großstadt ist in erster Linie für den Wagenverkehr bestimmt; den Fußgängern obliegt daher die erhöhte Aufmerksamkeit bei Benützung der Fahrbahn geradezu als Pflicht."
Auch wenn dieses Urteil den damals noch wenig verbreiteten "Automobilisten" entgegenkam, stieß es in der Allgemeinen Automobil-Zeitung auf heftige Kritik:
"Diese Urteilsbegründung zeugt von einer automobilistischen Weltfremdheit, die man von einem Obersten Gerichtshof heute wirklich nicht mehr erwarten dürfte… denn heute weiß doch jedes automobilistische Kind, dass der Fahrmann nicht nur wie hypnotisiert starr nach vorne blicken darf, sondern daß er ebenso auch auf alles achten muß, was rechts und links im Bereiche seines Sehfeldes vor sich geht…. Wir möchten denjenigen Prüfling sehen, der mit dem Prüfungskommisär die erste Fahrt macht und dabei, wie es der Oberste Gerichtshof ihm zubilligt, weder nach rechts noch nach links sieht. Wir möchten ebenso das Gesicht des Prüfungskommissärs sehen, wenn er dem Prüfling sagt, er möge nach rückwärts fahren, und der Prüfling täte dies ohne nach rückwärts zu blicken. Der Mann würde mit Pauken und Trompeten durchfallen, und das von Rechts wegen."
Link:
Die Pflicht der Fußgänger und der Fahrmänner (Allgemeine Automobil-Zeitung vom 10. Februar 1918)