Otto Wagner, einer der bedeutendsten österreichischen Architekten, verstarb heute vor hundert Jahren. Von 1894 bis 1912 lehrte er als Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, 1911 wurde er emeritiert, konnte aber seine Lehrtätigkeit im Rahmen eines Ehrenjahres als Honorarprofessor bis 1915 fortsetzen.
Die Wiener Zeitung in ihrem Nachruf auf den Lehrmeister Otto Wagner: "Wunderbar ist diese Seite des Wagnerschen Genius. Er ist der ideale Lehrer, der es vermag, seine Theorie mit fundamentaler Logik aufzubauen und sie dann mit dem Zauber suggestivster Phantasie zu verklären. Diese seine in Form von Axiomen knapp, kühn und drastisch geprägten Vorträge sind in Buchform unter dem Titel: 'Moderne Architektur' (Verlag Schroll, Wien) erschienen."
Die drei berühmtesten Werke Otto Wagners sind die Anlagen der Wiener Stadtbahn (1892-1901), die Kirche Am Steinhof (1902-07) und das Wiener Postsparkassenamt am Georg-Coch-Platz (1904-06). Wagner trat für eine neue Baukunst ein, die auf Funktion, Konstruktion und Material basierte und verkörperte so die Verbindung von Historismus und Moderne. Aufgrund seiner in der traditionellen Architektur stecken gebliebenen Widersacher, an ihrer Spitze Wagners "Intimfeind" Erzherzog Franz Ferdinand, blieben zahlreiche Projektideen unausgeführt, darunter das Wiener Stadtmuseum am Karlsplatz. Im Nachruf der Wiener Allgemeinen Zeitung werden Wagners Gegner entsprechend kritisiert:
"Auch er mußte bis in die letzten Schaffensjahre die Grausamkeit des Wiener Genieschicksals durchleben. Noch vor acht Jahren – im Jahre 1910 – erreichte die Otto Wagner-Hetze einen niemals überbotenen Höhepunkt. Als der Kampf um den Museumsbau am Karlsplatz ein Kampf wurde gegen das Wesen echter Kunst überhaupt. Damals erhoben sich in einer Protestversammlung, die von den schöpferischen und aus ihrer Zeit schaffenden Künstlern einberufen wurde, mächtige Stimmen der Entrüstung, warnende, verzweifelnde, wissende Stimmen, die um das Werk Otto Wagners rangen."
Den Anfeindungen trotzte der Architekt Zeit seines Lebens: "Daß aber mit siebzig Jahren ein Künstler noch mit allen Idealitäten stürmenden Jugendglaubens solchen Abenteuern kühn die Stirne bot, sagt, was dieser Mann vor allem war: Ein Aufrechter. Ein Mann mit unbeugsamen Energien. Noch in der Stillehre erzogen, noch im akademischen Drill aufgewachsen, mußte er in jener Vereinsamung, die nur dem Genie erträglich ist, langsam, beinahe schon ein Vierzigjähriger, an der Erneuerung seines Selbst arbeiten."
Otto Wagner gelang es trotz beziehungsweise gerade wegen der Kritik an seiner Architektur junge Nachwuchsarchitekten für sich zu gewinnen: "Otto Wagner hat die Jugend gerufen, er hat aus seiner Erkenntnis Jünger gebildet, hat eine Schule begründet, die von Oesterreich ausgehend, in die fernste Welt Kunst breitete. Und stark geblieben in seinem Wollen, ist er gestiegen, bis zur Turmspitze emporgestiegen. Dort stand er oben, der jugendliche Greis, kühnen Blickes, schwindelfrei und winkte mit nie ermüdender Begeisterung ins heilige Land seiner großen Kunst. Ein Aufrechter, weil er sein Werk nach seiner Seele Wahrheit bildete."
Am 11. April verstarb der bedeutende Architekt an den Folgen einer bakteriellen Infektion und wurde am 14. April in der Familiengruft auf dem Hietzinger Friedhof beigesetzt.
Links:
Otto Wagner (Wiener Allgemeine Zeitung vom 12. April 1918)
Heute vor 100 Jahren: 8. Oktober 1918
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Ausstellung: Otto Wagner im Wien Museum
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