Auf Grund der herrschenden Mangelwirtschaft und der überraschenden Kältewelle im Februar 1919, wurden Teile des bisher dem Kaiserhaus vorbehaltenen Lainzer Tiergartens am Rande Wiens abgeholzt, wie das Neuigkeits-Welt-Blatt am 11. Februar 1919 berichtete:
"Der heurige Winter hat uns gar grimmig kalte Tage gebracht und der Großteil der Bevölkerung steht vor dem ungeheizten Ofen, denn außer dem Küchenbrand wird ja keine Kohle abgegeben und in einzelnen Stadtteilen konnte sogar in bei Vorwoche das Quantum von 20 Kilo nicht zur Abgabe gelangen. Zu all dem Ernährungselend kommt der Jammer des Frierens und so machen wir derzeit wirklich bitterschwere Tage mit. Um die Kohlennot wenigstens einigermaßen zu steuern, wurde bekanntlich die teilweise Abforstung des Lainzer Tiergartens beschlossen und sie wird auch streckenweise unter Aufsicht von Organen der Gemeinde Wien in fachmännischer Weise durchgeführt. Außerdem wird aber ‚privat‘ sehr viel abgeholzt und Forstleute erklären sich mit dieser Art der Holzbeschaffung durchaus nicht einverstanden. Sie sagen, es wäre bei durchweg sachkundiger Behandlung sehr viel Holz zu gewinnen, ohne dem Baumbestand wirklichen Schaden zuzufügen, wie dies jetzt geschieht. Wie es nämlich in dem herrlichen Forst zugeht, zeigt unser beistehendes, nach an Ort und Stelle aufgenommenen Skizzen gezeichnetes Bild. Zahlreiche Leute fuhren auf Schlitten mächtige Scheiter, die sie allerdings nicht weiter bringen als bis zum Linienamt. Dort werden solche Ladungen abgenommen, denn es ist nur erlaubt, sogenanntes Klaubholz in Rucksäcken oder Bündeln wegzutragen. Es kommt da oft zu recht unliebsamen Szenen, während anderseits, wie man erzählt, nach anderen Seiten weggeführtes Holz zu einem recht schwunghaft betriebenen Schleichhandel verwendet wird."
Das Linienamt (wo früher die "Verzehrsteuer" für Produkte eingehoben wurde, die in der Stadt verkauft werden sollten) in der Speisingerstraße 104 in Wien-Hietzing ist bis heute erhalten geblieben. Es lag einst unmittelbar am Tiergarten, allerdings wurde dieser Teil der Grünanlage in der Ersten Republik für den Bau der Friedensstadt verwendet.
Links:
Holz aus dem Lainzer Tiergarten. Wie sich viele Leute Brennmaterial beschaffen (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 11. Februar 1919)
Heute vor 100 Jahren: Ein Attentat auf den Wiener Wald? (21. September 1918)