Vom Krieg und Eisbären in Schönbrunn berichtete das Neue Wiener Tagblatt am 11. Mai 1918. Anlass gab ein dramatischer Anlass, denn es hatte ein Soldat der Landsturmschützen fünf Schüsse aus seiner Browning-Pistole auf einen Eisbären in Schönbrunn abgegeben. 3 Schüsse trafen und verletzten das Tier. Der Schütze, Leopold Ecker, wurde entwaffnet und verhaftet. Da vermutet wurde, dass Ecker geisteskrank wäre, wurde er in das Garnisonsspital Nr. 1 gebracht.
Tatsächlich erreichten im Verlauf des Ersten Weltkriegs, der mit bis dahin kaum vorstellbarer Grausamkeit und völlig neuen Massenvernichtungswaffen geführt wurde, psychische Erkrankungen von Soldaten eine bisher nie dagewesene Dimension. Eine für den Ersten Weltkrieg typische psychische Erkrankung war die der Kriegszitterer, deren unentwegtes Zittern (Tremor) mit Lähmungserscheinungen, Bewegungsstörungen, Stottern, Depression und Angstzuständen einherging. Die Traumatisierungen zeigten sich aber auch andere Art und Weise:
"Der Fall ist ja leider kein vereinzelter mehr, daß jetzt Soldaten von mehr oder minder schweren Geistesstörungen befallen werden und daß dieser Zustand häufig genug gerade dann zum erkennbaren Ausdruck gelangt, wenn sich diese Kranken in der Oeffentlichkeit bewegen. Derselbe Polizeibericht, der sich mit dem Vorfall in Schönbrunn beschäftigte, meldete beispielsweise, daß gestern vor dem Kriegsministerium ein Trainsoldat von Verfolgungswahn befallen wurde und erhebliches Aufsehen erregte. Kürzlich wieder stieg ein halb entkleideter Soldat auf die Figur der Pallas Athene vor dem Parlament; ein andrer ließ die entsetzten Zuschauer die traurige 'Lear'-Szene sehen, in der der arme alte König in seiner Umnachtung sich entkleidet: es war die Rochuskirche, die der irrsinnige Soldat zum Schauplatze machte. Kurz, es vergeht kaum ein Tag, der uns nicht durch solche erschütternde Fälle die Tatsache der zunehmenden Kriegspsychosen in Erinnerung brächte. Es ist dies übrigens ein Kapitel, auf das die Aerzte in den letzten Jahren immer dringlicher aufmerksam gemacht haben."
Das Neue Wiener Tagblatt kam im Fall der Schießerei in Schönbrunn zu folgendem Schluss: "Der schwer- verwundete Eisbär von Schönbrunn ist eben auch ein Opfer des Krieges – aber auch der, der auf ihn geschossen hat."
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Der Krieg und der Eisbär (Neues Wiener Tagblatt vom 11. Mai 1918)
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