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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

13. Juli 1918

Hungerwinter 1918: Auf den abgeernteten Feldern in der Umgebung Wiens werden Überreste gesucht
Hungerwinter 1918: Auf den abgeernteten Feldern in der Umgebung Wiens werden Überreste gesucht; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Am 13. Juli 1918 befasste sich die Floridsdorfer Zeitung mit der Abmagerung der Bevölkerung, die vor allem in den Städten ganz offensichtlich war. Führte man die Gewichtsabnahme ursprünglich auf die mangelnde Versorgung mit Fett zurück, überraschte der Münchner Arzt Adolf Theilhaber mit einer neuen Erklärung und machte für die erschreckende Abmagerung das heute als "Vollkornbrot" bekannte Gebäck hauptverantwortlich:

"Auffallend ist, daß die große Abmagerung bei der Mehrzahl der Leute am Anfang des dritten Kriegsjahres zugleich mit zahlreichen Darmstörungen auftrat, und daß beide Erscheinungen mit einer erhöhten Ausmahlung des Brotgetreides zusammenfielen. Diese Ausmahlung, die im Frieden 65 Prozent betrug, stieg 1917 auf 94 Prozent. Das hat offenbar die Zunahme der Darmbeschwerden zur Folge gehabt. Je stärker das Korn ausgemahlen ist, desto mehr von der Schale, die das Getreidekorn umgibt und die einen Holzfaserstoff enthält, ist dem Brote beigemischt. Diese Schalenteile durchwandern bei kräftigen jüngeren Leuten ohne Schaden den Verdauungskanal, dagegen entsteht bei alten und schwächlichen oder empfindlichen Leuten durch die feinen Holzteilchen eine Reizung der Schleimhäute des Darmes. Die Folgen sind Schmerzen, Koliken, sowie die Symptome eines Darmkatarrhs. Durch dessen Folgen wird die Aufsaugung des Speisebreies teilweise gehemmt. Nach alter Erfahrung vermindern Darmkatarrhe das Körpergewicht und den Kräftezustand. Es ist also nicht auffallend, daß die durch Kornschalen hervorgerufenen Reizzustände des Darmes die Abmagerung verstärken. Der Forscher selbst machte folgendes Experiment: Sein Körpergewicht war von Anfang August 1916 bis November 1917 um 32 Pfund zurückgegangen. Von da ab aß er gar kein Schwarzbrot mehr, er lebte ohne Fleisch und mit sehr geringen Mengen Fett. Trotzdem nahm sein Gewicht jeden Monat um drei bis fünf Pfund zu. Uebrigens aßen schon im Frieden die Vegetarier ein Brot, das auch die Kornschalen enthielt. Schon damals fand man unter ihnen viele auffallend magere Gestalten."

Noch 1919 befasste sich Theilhaber mit dieser Thematik, etwa im Text "Das Kriegsbrot und das Vollkornbrot", der im Magazin "Vegetarische Warte" erschien. Theilhaber lag offenbar richtig, wie aktuelle Studien (beispielsweise im American Journal of Clinical Nutrition) belegen. Deshalb werden Vollkornprodukte heute auch gerne im Zusammenhang mit Abmagerungskuren konsumiert.

Links:
Die Abmagerung im Kriege (Floridsdorfer Zeitrung vom 13. Juli 1918) 
Weiterlesen: Der Vollkorn-Vorteil. Kalorien sparen, aber gleich viel essen.

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