Von einem brutalen Raubmord berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung am 13. Juni 1918:
"Das schauerliche Verbrechen, das der 37jährige Stefan Kajtar an seiner Frau Antonia verübte, hat überall Schauer und Abscheu hervorgerufen. Stefan Kajtar hat noch zu Lebzeiten seiner Frau seine Geliebte Minna Popelka zum Traualtar geführt, indem er bei der Kriegstrauung angab, daß er ledig sei. Vier Tage darauf hat er in der gemeinsamen Wohnung Vorgartenstraße 101 seine wirkliche Frau umgebracht. Nach seiner Schilderung, der freilich wenig Glauben beigemessen wird, hat er den Mord an seiner Frau mit deren Willen, ja sogar auf deren Bitten 'als letzten Dienst' verübt. Jedenfalls aber hat er den Schmuck der Ermordeten seiner Geliebten zum Geschenke gemacht."
Aufgrund der Position der Leiche – sitzend, mit einem Strick um den Hals, der an der Türklinke befestigt war – ging die Polizei zunächst von einem Selbstmord aus. Als man in der Tasche der verstorbenen Antonia Kajtar zwei Briefe fand, war aber schnell klar, dass es sich um einen Mord handelte. In dem ersten Brief wurden Anna Popelka und deren Tochter Minna als Erbinnen eingesetzt. Der zweite Brief Antonia Kajtars hatte allerdings nichts mit dem fingierten Freitod zu tun und war darüber hinaus in einer anderen Schrift verfasst.
Stefan Kajtar gestand während seiner Befragung eine schon länger dauernde Liebesbeziehung zu Minna Popelka. Als die Polizei weiter nachhakte, gestand er den Mord und das gefälschte Testament. Stefan Kajtar wurde wegen Raubmordes und Bigamie dem Militärgericht übergeben. Über das weitere Schicksal des Mörders ist nichts bekannt.
1918 wurden in Wien 26 Morde begangen; in früheren Jahren waren es dagegen nur 4 bis 5 Fälle. Die hohe Mordrate im Jahr 1918 wurde vor allem mit der Verrohung der Bevölkerung durch den lang anhaltenden Krieg erklärt, wie es Anfang 1919 in einem Artikel des Neuen Wiener Tagblatt zu lesen war, in dem jeder einzelne Mord des abgelaufenen Jahres rekapituliert wurde.
Links:
Das Verbrechen des Bigamisten (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 13. Juni 1918)
Die Höchstleistung im Verbrechen (Neues Wiener Tagblatt vom 5. Jänner 1919)