Im Frühling 1918 berichtete das Neue Wiener Journal über die blühenden Rothschild Gärten auf der Hohen Warte in Wien-Döbling.
Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild hatte das Grundstück für die Gartenanlage in den 1860er Jahren erworben und ließ dort auf rund 81.000 Quadratmetern einen Park mit Gärtnereibetrieb samt Glashäusern anlegen, wo unter anderem Obst, exotische Blumen und Palmen gediehen. Zwei Mal pro Woche war das Gelände öffentlich zugänglich und gegen eine geringe Gebühr konnte man fast das gesamte Areal begehen. Während des Ersten Weltkriegs wurden die Gärten zusätzlich auch sonntags geöffnet. Die Eintrittsgelder kamen der Kriegsfürsorge zugute.
Die Vielfalt der Rothschild'schen Pflanzen und die idyllisch angelegten Plätze zum Verweilen hatten es dem nur mit "J.F." gezeichneten Journalisten des Neuen Wiener Journal am 14. Mai 1918 besonders angetan: "Und schon ist man gefangen von den Wundern, die Menschenhand und Menschengeist, wenn sie nach Herzenslust die Natur meistern und stilisieren wollen, unterstützt von einem wohlgefüllten Beutel, schaffen können. Ein Kirschbaum beugt sich unter seiner schweren, dunkelfarbigen, süßen Last […] Auch Ananaserdbeeren leuchten aus dem Grün hervor und auf Weinblättern sind frische samtene Pfirsiche so appetitlich arrangiert, daß es wirklich, wohlangebracht erscheint, eine Glaswand zwischen diese Köstlichkeiten und den Besucher zu schieben. […] An einer glasüberdachten Pergola bleibt man sinnend stehen. Wo gibt es noch Trauben von solcher Fülle und Größe […] Die Obstbäume sind in künstliche Formen gebracht, eine Lyra, eine Pyramide, ein Oktaeder bilden die grünen Blätter, zwischen denen schon die kahlen, vielversprechenden Fruchtknoten zu sehen sind. Ganze Felder sind mit Zwergobstbäumen bepflanzt, zwischen denen Salatblätter und anderes Gemüse an den praktischen Zweck der Anlage erinnern. Da weist der Pfeil in ein Glashaus. […] Dort gedeihen die fremdländischen Gewächse, dort gibt es Palmen, derer sich das Palmenhaus in Schönbrunn nicht zu schämen hätte […] Märchenhaft bunte Azaleen, wahre Millionäre an Blüten, gefüllte Pelargonien in allen Nuancen vom zartesten bis zum dunkelsten Rot, eine Farbenorgie der Natur. Gleich Flammen lodernde Tulpen und in mit zarten Pastellfarben hingehauchte Hellrosa und dann wieder bläulichschattierte Ballen der Prächtigen gefüllten Hortensie […] Das Ganze wirkt wie ein riesiges, zartgetöntes Aquarellbild von Meisterhand. Um dieses Blickes willen möchte ich Baron Rothschild sein!"
Am 5. April 1938 wurden die Gärten vom "arisiert" und an die Stadt Wien verkauft. Nach 1945 verzichtete die Rothschilds Erbin Clarice Adelaide von Rothschild auf eine Rückgabe der Gärten und erhielt deshalb von der Stadt Wien eine Entschädigungszahlung.
Der nördliche Teil der Rothschild Gärten ist heute ein Teil des Heiligenstädter Parks. Nathaniel Rothschild ließ aber nicht nur Gartenanlagen auf der Hohen Warte anlegen, sondern auch einen Fußballplatz für den 1894 von ihm gemeinsam mit Generaldirektor Schuster vom Bankhaus Rothschild gegründeten First Vienna Football Club.
Link:
Die Rothschild-Gärten (Neues Wiener Journal vom 14. Mai 1918)