Am 14. Oktober beklagte der Journalist und stadtbekannte Bohemien Egon Dietrichstein im Neuen Wiener Journal das Aussterben der Hausierer, die wegen der kriegsbedingten Mangelwirtschaft über immer weniger Waren verfügten: "Hausieren und Rohstoffmangel … Das Gewerbe ist im Aussterben und viele bekannte, komische und lästige Typen verschwinden. Von Zeit zu Zeit sah man die Alten gern. Da war der Nachthausierer. Für ihn gab es keine Sperrstunde, keinen Tag. Abends kam er aus seiner Höhle, bucklig, klein, bärtig, mit einer dick angeschwollenen Tasche. Er lebte vom Kaffeehaus, von der Kaffeehausterrasse. Er humpelte herum, ließ sich überall häuslich nieder, stellte seinen Kramladen gleich auf den Stuhl und begann: "Manschettenknöpfe?..." Man las ruhig die Zeitung weiter. "Zahnbürsteln? Reibsäcke?..." Er brummte wie die Fliegen, die da oben die elektrische Bogenlampe surrend umkreisen. Man blickte auf: "Kaufens mer etwas ab. Schwere Zeiten. Ein Paar Schuhbänder?..." Man lächelte und wartete. Er kramte weiter: "Ein Paar Hosenträger? Sockenhalter?..." Gut, um des lieben Friedens Willen, einen Manschettenknopf…"
Dietrichstein, Sohn jüdischer Eltern, galt als begabter Journalist, der gerne im Café Museum in Literatenzirkeln verkehrte. Während des Ersten Weltkrieges wurde er in die Armee eingezogen und dem Kriegsarchiv zugewiesen, wo er gemeinsam mit Stefan Zweig, Alfred Polgar und Rainer Maria Rilke Kriegspropaganda produzieren musste.
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Die Hausierer (Neues Wiener Journal vom 14. Oktober 1917)