Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
Seitenpfad
Ihre Position: Oesterreich100.at - Von Tag zu Tag 1917 bis 1919
Inhalt

Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

14. Oktober 1918

Ein Wiener Hausmeister, um 1885
Ein Wiener Hausmeister, um 1885; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Der Beruf der Hausbesorgerinnen und Hausbesorger entstand mit dem Wiener Bauboom im 19. Jahrhundert. Nicht nur das Bürgertum und der Adel errichteten sich weitläufige Gebäude, es wurden auch in den Vororten große Wohnanlagen errichtet, für die ein intensiver Betreuungsbedarf entstand. Bald wachten "Hausmeister" über diese Anlage, sorgten für Zucht und Ordnung, übernahmen handwerkliche Aufgaben und kümmerten sich um die Sauberkeit. Hausmeisterinnen beziehungsweise Hausmeistern wurden samt ihren Familien Wohnungen im Erdgeschoss zur Verfügung gestellt, sodass niemand ungesehen das Haus betreten oder verlassen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass Mieter damals kein Anrecht auf Haustorschlüssel hatten und Hausmeister das Hausportal zwischen 22 und 6 Uhr in der Früh verschlossen zu halten hatten. Mieter, die in der Nacht in ihre Wohnungen wollten, waren deshalb gezwungen anzuläuten und dem Hausmeister für seine Aufsperrdienste das sogenannte "Sperrsechserl" zu bezahlen (ursprünglich 6 Kreuzer, nach einer Währungsreform 20 Heller, die heute etwa 1 Euro entsprechen).

Hausmeister wurde gewissermaßen – wienerisch gesprochen – zu "Respektspersonen". Es war deshalb ratsam ein gutes Verhältnis mit ihnen pflegen. Hielt man sich nicht an diese Regel, konnte es Probleme geben, wie die Wiener Allgemeine Zeitung am 14. Oktober 1918 berichtete:

"In der ganzen Welt würde man Derartiges für unmöglich haltet, bloß in Wien, dem Sperrsechserl-Eldorado, weiß man, daß es so etwas gibt. Da kennt man die Gloriole, die der Hausmeister um sein Haupt trägt, da ist man von seiner Mächtigkeit, wenn nicht gar von seiner Allmächtigkeit überzeugt und auch davon, daß es vor allem darauf ankommt, sich mit dieser wichtigen und mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Persönlichkeit ins Einvernehmen zu setzen und sich auf guten Fuß zu stellen. Und wenn man hierzulande keinen Richter zu brauchen glaubt, so weiß man ebenso, daß man mit dem Hausmeister rechnen muß, daß es unerläßlich ist, sich seiner Gunst zu versichern. Wer es an Respekt fehlen läßt, dem kann es passieren, daß er gekündigt wird. So geschehen einer Mietpartei, die von der Hausbesitzerin deshalb gekündigt wurde, weil sie Mehrmals vor anderen Hausparteien einen nicht genügend respektvollen Ton der Hausmeisterin gegenüber angeschlagen hat. Die Partei hat diese Kündigung jedoch nicht ernst genommen und dagegen Einspruch Erhoben […] Die Autorität der Hausmeister hat hiemit einen empfindlichen Stoß erlitten; mag sein, daß sie in ihren Grundfesten erschüttert ist. Wenn die übrigen Wohnparteien Wiens das erfahren werden, alle jene, die bisher nur zitternd und bebend und mit zu Boden gesenkten Augen vor den Hausbesorgern und - besorgerinnen zu stehen wagten […], daß es noch eine höhere als die Hausmeisterautorität gibt […] Die Hausbesorger mögen beruhigt sein: trotz aller abgewiesenen Revisionen. Die Wiener werden es nicht glauben."

Im Jahr 2000 wurde das für ganz Österreich geltende Hausbesorgergesetz dahingehend novelliert, dass keine neuen Hausbesorger mehr eingestellt werden können, während bestehende Arbeitsverhältnisse langsam auslaufen. Begründet wurde die Reform mit günstigeren Kosten für Mieterinnen und Mieter, wenn externe Firmen die Aufgaben der früheren Hausmeister übernehmen. Letzteres trat zwar in einigen Wohnhausanlagen ein, trotzdem sprach sich eine Mehrheit bei einer Volksbefragung 2010 in Wien dafür aus, Hausbesorger auf bundesgesetzlicher Ebene wieder zu ermöglichen.

Links:
Die Autorität der Hausbesorgerin (Wiener Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 1918)
Weiterlesen: Hausbetreuung nach Abschaffung des Hausbesorgergesetzes

Alle Einträge anzeigen: Von Tag zu Tag