Unter dem Titel "Die Morgenröte des allgemeinen Friedens" berichtete das Neuigkeits Welt-Blatt vom 15. Februar über die triumphale Rückkehr des österreichisch-ungarischen Außenministers von den Friedensverhandlungen mit Russland in Brest-Litowsk. Schon am Wiener Nordbahnhof wurde der Minister vom Wiener Bürgermeister Weiskirchner und dessen Stellvertretern empfangen. An seinem Amtssitz am Wiener Ballhausplatz 2 angekommen, heute Sitz des österreichischen Bundeskanzlers, musste Czernin auf den Balkon hinaustreten, um die Huldigungen der Wiener Frauen entgegenzunehmen:
"Mit ungewöhnlichen Ehren ist Graf Czernin bei seiner Ankunft aus Brest-Litowsk in Wien empfangen worden — Ehrungen, an denen nicht nur die gesamte Stadtverwaltung mit den vier Bürgermeistern, sondern auch viele Tausende aus dem Volk teilgenommen haben. Bürgermeister Dr. Weiskirchner hat dem Minister in heißen Worten dafür gedankt, daß er den Brotfrieden des Ostens gebracht habe. Und Graf Czernin hat als echter Friedensmann in seiner Antwort hervorgehoben, daß der Friede von Brest uns dem allgemeinen Frieden einen Schritt näher bringe, daß es nach langer Nacht zu tagen beginne, daß sich am Horizont die erste zarte Morgenröte der kommenden besseren Friedenszeit zeige."
Czernin, der sich in der "Sixtus Affäre" (Kaiser Karls Versuch eine Friedenslösung über Vermittlung seines in der belgischen Armee dienenden Schwagers Sixtus zu finden) äußerst ungeschickt verhielt, musste im April 1918 demissionieren und den Ballhausplatz verlassen.
Ein besonderes Kuriosum des Ballhausplatzes 2 ist, dass dort nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sowohl das Außenministerium der jungen Republik residierte als auch der alte kaiserliche auswärtige Dienst, der dort noch zwei Jahre lang die wenigen verblieben Geschäfte abwickelte, um am 8. November 1920 die Monarchie endgültig zu begraben.
Link:
Die Morgenröte des allgemeinen Friedens (Neuigkeits Welt-Blatt vom 15. Februar 1918)