Als ein militärischer Erfolg der Mittelmächte angesichts der allgemeinen Erschöpfung immer unwahrscheinlicher wurde, kam es zu einer Reihe geheimer Sondierungsgespräche zwischen den Kriegsparteien. Kaiser Karl I. hatte im Frühjahr 1917 über seinen Schwager Prinz Sixtus von Bourbon-Parma den Kontakt mit Frankreich gesucht ("Sixtusbriefe"), um die Bereitschaft für einen Friedensschluss auszuloten.
Außenminister Czernin, der in die Angelegenheit eingeweiht war, hielt allerdings am 2. April 1918 eine betont aggressive Rede vor dem Wiener Gemeinderat, mit der er den Kampfgeist und die Bündnistreue mit Berlin stärken wollte. Um die vermeintliche Schwäche der feindlichen Westmächte zu betonen (Russland war bereits aus dem Krieg ausgeschieden), erwähnte er auch wahrheitswidrig eine angebliche Kontaktaufnahme Frankreichs mit Österreich-Ungarn hinsichtlich eines Separatfriedens.
Der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau reagierte auf den Affront des österreichischen Außenministers mit einem geschickten medialen Feldzug. Er nützte die Existenz der "Sixtusbriefe", um den österreichischen Kaiser zu desavouieren und einen Keil zwischen die Mittelmächte zu treiben. Czernin versuchte daraufhin, den Kaiser zu einem vorübergehenden Rücktritt von den Regierungsgeschäften zu überreden, was dieser entschieden ablehnte. Schließlich entließ Karl den Außenminister am 16. April 1918, was in der Presse, die Czernin noch kurz zuvor als Friedensminister gefeiert hatte (Czernin hatte den Frieden mit Russland mitverhandelt), allerdings mit Unverständnis aufgenommen wurde.
Czernin hatte damit den Kaiser sowohl außen- als auch innenpolitisch kompromittiert, ihn vor seinem deutschen Bundesgenossen bloßgestellt, weitere Friedensbemühungen Österreich-Ungarns damit verunmöglicht und somit maßgeblich zur Niederlage der Mittelmächte beigetragen.
Links:
Czernin und sein Rücktritt (Arbeiter-Zeitung vom 16. April 1918)
Weiterlesen: Die Sixtus Affäre, Darstellung Czernins 1918