Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
Seitenpfad
Ihre Position: Oesterreich100.at - Von Tag zu Tag 1917 bis 1919
Inhalt

Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

17. Februar 1918

Findelhaus mit Drehlade
Findelhaus mit Drehlade; © Illustrierte Kronen Zeitung vom 17. Februar 1918

Die Illustrierte Kronen Zeitung beschäftigte sich am 17. Februar 1918 mit dem massiven Geburtenrückgang insbesondere seit Kriegsbeginn. Wurden 1905 in Wien noch 55.716 Lebendgeburten verzeichnet, so betrug die Gesamtzahl im Jahr 1909 schon deutlich weniger, nämlich 50.096. Von diesen Kindern waren 35.362 ehelich und 14.731 unehelich geboren. Bereits im ersten Kriegsjahr 1914 fiel die Geburtenziffer Wiens auf 40.149. Die Säuglingssterblichkeit stieg dagegen im Krieg kontinuierlich an: 1914 starben von je 1000 Lebendgeborenen 13,9 vor Vollendung des ersten Lebensjahres, im Jahr 1917 waren es bereits 17,1.

Um die Kindersterblichkeit zu senken, griff der Artikel die Einrichtung der "Drehlade" auf, die bereits Ende des 18. Jahrhunderts kurzfristig mit der Errichtung eines Findelhauses in Wien realisiert worden war: "Die junge Mutter, die das Kind nicht aufziehen wollte, der das Neugeborene eine schwere, unerträgliche Last war, trug den Säugling zum Findelhaus, legte ihn in die Drehlade und zog an der Glocke. Auf das Klingeln erschien eine Schwester, drehte die Lade mit ihrer kleinen und doch so schweren Last um und der junge Erdenbürger war geborgen und dem Leben erhalten."

Eine ähnliche Politik verfolgte bis 1899 die Wiener "Gebär- und Findelanstalt", wo überlastete Mütter ohne Preisgabe ihrer oder des Vaters Identität Kinder in die Obhut der Stadt Wien übergeben durften. Ein Nebeneffekt war, dass diese Kinder unabhängig von ihrer Herkunft das Wiener Heimatrecht erwarben, das einen ungestörten Aufenthalt, den Anspruch auf Armenunterstützung, die Benützung des Gemeindeguts sowie eine beschränkte Teilnahme an der Wahl des Gemeindeausschusses ermöglichte.

Seit dem Jahr 2000 sind die ehemaligen "Drehladen" als "Babyklappen" wieder in österreichischen Spitälern zu finden. Neugeborene Kinder können darin unbeobachtet und anonym in ein Wärmebettchen gelegt werden, um anschließend medizinisch versorgt und später zur Adoption freigegeben zu werden. Im Gegensatz zur Aussetzung eines Neugeborenen ist das Abgeben eines Kindes in einer Babyklappe nicht strafbar.

Links:
Die Drehlade (Illustrierte Kronenzeitung vom 17. Februar 1918)
Weiterlesen: Die Geschichte der Wiener Jugendwohlfahrt (PDF)
Weiterlesen: Das Findelhaus, der Vorläufer der Babyklappe
Weiterlesen: Wiener Gebär- und Findelhaus

Alle Einträge anzeigen: Von Tag zu Tag