Schon während des Ersten Weltkriegs kam es zu einem Kohlenmangel, der sich nach dem Krieg nahtlos fortsetzte. Neben Theatern und Kinos mussten auch Schulen im Winter immer wieder geschlossen bleiben, da Heizmaterial fehlte, und natürlich war vom Kohlenmangel auch der Eisenbahnverkehr betroffen. Der Staatsrat der deutschösterreichischen Republik suchte daher nach alternativen zur Kohle und zog dabei vor allem Strom aus Wasserkraft in Erwägung, wie die Neue Freie Presse am 18. Dezember 1918 berichtete :
"Durch eine Mitteilung des Staatskanzlers ist bekannt geworden, daß der Staatsrat als eine der ersten und wichtigsten großen Aufgaben der staatlichen Investitionstätigkeit den Ausbau der Wasserkräfte betrachtet und diese Angelegenheit derart fördern will, daß mit den Arbeiten im Terrain bereits im Frühjahr 1919 begonnen werden kann […] Nichts wäre jedoch verfehlter, als wenn man derartige Investitionsbauten einzig und allein vom Standpunkte der Notstandsarbeiten betrachten wollte. Deutschösterreich kann sich den Luxus nicht leisten, seine Arbeitskraft für Herstellungen aufzuwenden, die eine volle Rentabilität, eine starke Erhöhung der Produktion oder eine entsprechende Ersparnis von fremden Rohstoffen nicht gewährleisten. Von diesen Gesichtspunkten aus ist der Gedanke, die Wasserkräfte auszunützen, wärmstens zu begrüßen, denn da Deutschösterreich über eine genügende eigene Kohlenproduktion nicht verfügt, so werden die neuen großen Aufgaben, welchen sich der Staat unterzieht, zur Folge haben, daß in steigendem Maße die Einfuhr von Kohle erspart und dadurch der Warenaustausch mit dem Auslande erleichtert wird. Alle Rechnungen, welche hinsichtlich der relativen Rentabilität bei der Ausnützung der Wasserkräfte seinerzeit aufgestellt wurden, haben dadurch eine große Verschiebung erfahren, daß die Kohlenpreise fast auf das fünffache gegenüber dem Friedensjahren gestiegen sind."
Das erste Wasserkraftwerk auf dem Boden der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde 1880 von Josef Werndl im oberösterreichischen Steyr in Betrieb genommen. Im Rahmen der "Electrischen Landes-, Industrie-, Forst-und culturhistorischen Ausstellung" 1884 ließ Werndl die Stadt als erste in Europa mit Strom aus Wasserkraft beleuchten. Rasch sollten weitere Wasserkraftwerke in Andelsbuch, Rieden und Dornbirn in Vorarlberg entstehen. Allerdings blieb Wasserkraft wegen des reichen Kohlevorkommens in der Monarchie lange Zeit nur eine Randerscheinung.
Es war vor allem die Grenzziehung nach 1918, die Österreich von den Kohlengruben der ehemaligen Monarchie abschnitt und das Land zur intensiven Nutzung der Wasserkraft zwang. Bereits 1919 entstand daher das Wasserkraft- und Elektrizitätswirtschaftsamt (WEWA) und bereits 1937 kamen rund 82 Prozent der in Österreich erzeugten Energie aus Wasserkraftwerken.
Während des nationalsozialistischen Regimes wurde unter Ausbeutung Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge der Kraftwerksbau weitergeführt beziehungsweise in Angriff genommen. Das bekannteste dieser Kraftwerke liegt in Kaprun. Bereits in den 1920er Jahren wurden dort erste Bauarbeiten vorgenommen; die Fertigstellung erfolgte allerdings erst 1955, mehr als 3 Jahrzehnte später. 2003 thematisierte Elfriede Jelinek das verdrängte Leiden der in Kaprun eingesetzten jüdischen Zwangsarbeiter im Theaterstück "Das Werk" und 2004 in ihrem Buch "In den Alpen".
Links:
Der Ausbau der Wasserkräfte (Neue Freie Presse vom 18. Dezember 1918)
Weiterlesen: Franz Mandl, Die Almen im Stausee des Wasserfallbodens Kaprunertal, Glocknergruppe (PDF)
Weiterlesen: Zur Geschichte der Wasserkraft in Österreich (flow – Der VERBUND-Blog)