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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

18. Oktober 1918

Karte des Bundesstaates Oesterreich 1918
"Der Bundesstaat Oesterreich"; © Das interessante Blatt vom 24. Oktober 1918

Im Laufe des 17. Oktobers erreichte das Manifest Kaisers Karls über die Neugestaltung der österreichischen Reichshälfte der Monarchie, das sogenannte "Völkermanifest", die Zeitungsredaktionen und prägte am 18. Oktober die Titelseiten. Das Manifest, das die ungarische Reichshälfte nicht berührte, sah die Bildung von 4 Staaten auf nationaler Basis vor: einen "tschecho-slowakischen", einen "illyrischen" (oder "süd-slawischen"), einen "ruthenischen" (ukrainischen) und einen "deutsch-österreichischen Staat". Die polnischen Gebiete sollten aus dem Verband der Monarchie ausscheiden und dem neu gegründeten polnischen Staat übergeben werden, Triest war als Freihafen für alle 4 Staaten vorgesehen.

Für die Arbeiter-Zeitung kam das Manifest viel zu spät und hatte auch wenig Glaubwürdigkeit, da es erst unter Druck des amerikanischen Präsidenten Wilson zustande gekommen war. Das Fremden-Blatt war hingegen vorsichtig optimistisch und schrieb von der bevorstehenden Umwandlung Österreichs in einen Bundesstat als einer "großen, schönen, aber auch schweren Aufgabe". Die deutschsprachigen Blätter befassten sich naheliegender Weise mit dem Territorium Deutsch-Österreichs und blickten dabei vor allem auf das Schicksal der von Deutschsprachigen bewohnten Gebiete in Böhmen und Mähren. Die neue Südgrenze in Kärnten und der Steiermark entlang der Drau wurde aber – abgesehen von den wenig einflussreichen südsteirischen und Kärntner Zeitungen – kaum diskutiert.

Was aber am 18. Oktober immer mehr zur Gewissheit wurde, war das wohl unvermeidliche Ende der alten Doppelmonarchie: Aus Ungarn wurde von der unmittelbar bevorstehenden Unabhängigkeitserklärung berichtet, die Weigerung der tschechischen und südslawischen Reichsratsabgeordneten an der Gestaltung des neuen Bundesstaates auf Grundlage des "Völkermanifests" mitzuarbeiten verhieß wenig Gutes und aus Kärnten wurde zur Abwehr der "sinnlosen Zerreissung […] der engeren Heimat" aufgerufen (Freie Stimmen vom 18. Oktober 1918):

"Wenn man die Zukunft der österreichisch-ungarischen Monarchie nach den Vorgängen im Abgeordnetenhause und in den Delegationen beurteilen wollte, müßte man sagen: es war einmal eine österreich-ungarische Monarchie. Tschechische Vertreter, Südslaven aus Polen reden in Wien von Oesterreich nur mehr als von einem gewesenen Staate, betrachten sich bereits als Angehörige des selbständigen 'tschecho-slowakischen' oder des 'südslavischen' oder des 'polnischen Staates'. Die tschechischen Verräter in der Armee werden als Helden gefeiert, die wirklichen tschechischen Helden aber mit keinem Worte erwähnt. In Prag und in Krakau verhandeln die Tschechen und die Polen über die zukünftigen Staatswesen ihrer Nationen, ähnliches beginnen die Südslaven. Der Kaiser hat letzten Montag 32 Abgeordnete aller Parteien einzeln empfangen und von jedem seine politischen Zukunftspläne erfragt. Aber geändert wurde dadurch an den trüben Aussichten für die Zukunft nichts. Es hat den Anschein, als ob das Abgeordnetenhaus sich allmählich von selbst auflösen würde. Ansätze hiezu sind schon da."

Links:
Oesterreichs Zukunft (Volkspost vom 18. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: 32 Reichsratsabgeordnete bei Kaiser Karl (15. Oktober 1918) 

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