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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

18. September 1918

Die  Munitionsfabrik in Wöllerdsorf; Blick in eine Werkstatt
Die Munitionsfabrik in Wöllerdsorf; Blick in eine Werkstatt 2 Monate vor der Katastrophe; © Österreichs illustrierte Zeitung vom 14. Juli 1918

"Morgen werden die Opfer der Katastrophe von Wöllersdorf begraben werden. Junge Mädchen, halbe Kinder noch, gestern noch voll Hoffnungen auf ein lachendes Lebensglück, das sie dereinst entschädigen werde für die Nöte und Mühsale der Kriegszeit; Frauen, deren Kinder noch kaum ahnen, daß sie die Mutter nie, nie wiedersehen werden, und deren Gatten, fern im Schützengraben, zur Stunde noch nicht wissen, daß sie die Lebensgefährtin verloren haben, die so lang vergebens den Tag ersehnt hat, der ihr den Gatten wiedergeben werde – sie alle wird die Arbeiterschaft von Wöllersdorf morgen in die Erde betten. In langem stillen Zuge, einen schlichten Sarg hinter dem anderen, mehr als vierhundert an Zahl, werden die Arbeiter von Wöllersdorf zum Grabe tragen." (Arbeiter-Zeitung vom 21. September 1918)

Ab 1815 entstanden auf dem Gelände der "Feuerwerksanstalt" bei Wöllersdorf Anlagen zur Produktion von Raketen und Explosivstoffen. Während des Ersten Weltkriegs entwickelte sich die ehemalige Feuerwerksanstalt zur größten Munitionsfabrik der Monarchie mit etwa 1000 Werks- und Lagerhallen, in denen kriegsbedingt vor allem Frauen und junge Mädchen zum Einsatz kamen. Am 18. September 1918 sollte es dort zur größten zivilen Katastrophen des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn kommen, die mit 423 Toten mehr Opfer forderte als die bis dahin größte Brandkatastrophe der Monarchie, der Wiener Ringtheaterbrand von 1881.

Die Katastrophe vom 18. September 1918 nahm ihren Ausgang im Objekt 143, wo Frauen und Mädchen Munitionshülsen mit Schießpulver befüllten. Aufgrund des großen Munitionsbedarfs wurden Sicherheitsmaßnahmen nur wenig beachtet, Arbeitsschutzvorschriften wurden vom militärischen Kommando der Waffenfabrik immer wieder außer Kraft gesetzt. Kurz vor der Mittagspause fiel eine Patronenhülse auf den Boden und erzeugte eine Stichflamme, die das in der Halle gelagerte Schießpulver in Brand setzte. Die große Hitze in den Hallen begünstigte die Ausbreitung des Feuers. Zwar versuchten die Arbeiterinnen zu flüchten, doch waren die Ausgangstüren versperrt – eine vorsorgliche Maßnahme des Militärs, damit keine der Arbeiterinnen vorzeitig in die Mittagspause gehen konnte. Die meisten Arbeiterinnen verbrannten bei lebendigem Leib, zumeist unmittelbar vor den versperrten Toren.

Die Regierung versuchte die Meldungen über die Brandkatastrophe mit den Mitteln der Zensur kleinzureden und zu verharmlosen. Erst mehrere Tage nach der Katastrophe wurde der volle Umfang der Tragödie der Öffentlichkeit bekannt, wobei das Interesse der regierungstreuen Presse vor allem der Verhinderung eines möglichen Produktionsausfalles galt.

Schon 1918 geriet diese größte Brandkatastrophe der österreichisch-ungarischen Monarchie wegen der dramatischen politischen Umwälzungen nur wenige Wochen nach dem Unglück rasch in Vergessenheit und ist bis heute nur wenig bekannt. Um die tragischen Ereignisse von 1918 dem Vergessen zu entreißen, wurde für die Opfer der Brandkatastrophe eine Gedenkstätte errichtet, die am 28. September 2018 in feierlichem Rahmen enthüllt wird (siehe den Hinweis weiter unten).

Links:
Wöllersdorf (Arbeiterzeitung vom 21. September 1918)
Die Füße des Geschosses. Aus der k.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf (Österreichs illustrierte Zeitung vom 14. Juli 1918)
Heute vor 100 Jahren: "Einweihung der Garnisonskirche in Wöllersdorf, der neuen gewaltigen Munitionsstadt" (20. Juni 1918) 
Weiterlesen: Brandkatastrophe in der k.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf am 18.9.1918  Gedenkveranstaltung am 28. September 2018, 15:00 Uhr: 100 Jahre Brandkatastrophe in der k.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf – Nie wieder Krieg!

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