Am 19. Februar 1918 berichtete die in Wien erscheinende Neue Zeitung über die in Salzburg endlich anlaufende staatliche Unterstützung des Mittelstands und deren Ausbleiben in Wien. Aus dem Artikel erschließt sich aber auch die Entsolidarisierung der österreichisch-ungarischen Gesellschaft, die im Herbst 1918 den Untergang der Monarchie dramatisch beschleunigte.
Hatte zwar schon im Jänner 1918 die Arbeiterschaft mit landesweiten Streiks protestiert, murrte nun der Mittelstand leise, aber von Mal zu Mal lauter. Beklagt wurde vor allem die subjektiv wahrgenommene Besserstellung der Arbeiterschaft und überhaupt der Mittellosen durch Sozialmaßnahmen, die der Mittelschicht vorenthalten blieben. Kritik an den vom Krieg profitierenden Unternehmen oder gar dem Kaiserhaus übten die österreichischen Medien allerdings nur ganz leise oder gar nicht.
Das oben abgebildete Wahlplakat der bürgerlich-demokratischen Partei für die Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919, an der sich unter anderem Helene Granitsch ganz prominent beteiligte, dokumentiert die Entfremdung des bürgerlichen Mittelstandes von der Monarchie ganz deutlich.
Links:
Die Einkommensgrenzen für den Mittelstand (Die neue Zeitung vom 19. Februar 1918)
Weiterrechnen: Inflationscockpit der Österreichischen Nationalbank
Heute vor 100 Jahren: Helene Granitsch (3. Februar 1918)
Heute vor 100 Jahren: Der Jännerstreik (16. Jänner 1918)