In Wien protestierten am 30. Jänner 1919 Sudetendeutsche (ein Sammelbegriff für die in Böhmen, Mähren und Schlesien lebende deutschsprachige Bevölkerungsgruppe) gegen den Verbleib ihres Siedlungsgebietes in der eben gegründeten Tschechoslowakei. Nach einer Protestversammlung zogen Tausende Demonstranten vor das Wiener Rathaus und forderten das Selbstbestimmungsrecht für die damals mehrheitlich deutschsprachigen Gebiete:
"Am 19. d. M. fand in dem Saale des Kolosseums eine Kundgebung für die Deutschen der Sudetenländer statt. Eine überaus große Teilnehmerzahl zeigte, wie das Schicksal der dem tschecho-slowakischen Staat ausgelieferten deutschen Volksgenossen allen Schichten der Bevölkerung am Herzen liegt. Die imposante Kundgebung nahm einen ruhigen Verlauf und rechtfertigte das Vertrauen auf die Disziplin der Bevölkerung, die damit gegen jene Bestrebungen demonstrierte, die Deutschböhmen den Tschechen aus wirtschaftlichen Gründen angliedern will. Landeshauptmann Dr. Lodgmann führte in seiner Rede aus, daß die Deutschen Böhmens auf ihrem Selbstbestimmungsrecht beharren und nur als Freie mit Freien mit den Tschechen verkehren wollen, sich aber nie der slawischen Herrschaft beugen würden. Dr. Führer, der für die Sudetendeutschen sprach, erklärte, daß diese ihre Eigenart in Sprache und Sitte bewahren und ihre Kinder darin aufziehen wollten. Die Ausführungen der übrigen Redner bewegten sich in gleichem Rahmen. Es wurden schließlich zwei Resolutionen gefaßt, die eine den Staatsrat für Aeußeres aufzufordern, für Schaffung eines zwischenstaatlichen Verwaltungsgebietes aus dem ostmährisch-schlesischen Industriegebiete einzustehen, während in der zweiten gegen die Vergewaltigung der Deutschen der Sudetenländer durch den tschechischen Imperialismus Verwahrung eingelegt und für die Deutschen das Selbstbestimmungsrecht gefordert wurde."
Zwar sicherte der 14-Punkte-Plan des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson den Völkern der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie das Selbstbestimmungsrecht zu, jedoch wurde dieses vor allem aus wirtschaftlichen Gründen immer wieder durchbrochen. Im Fall der mehrheitlich deutschsprachigen Gebiete auf dem Boden von Böhmen, Mähren und Schlesien unterstützte die Entente weitgehend den tschechoslowakischen Standpunkt. Radikalere tschechische Forderungen, wie etwa eine Grenzziehung zwischen Österreich und der Tschechoslowakei entlang der Donau und teilweise sogar südlich der Donau, wurden allerdings verworfen.
Links:
Massenkundgebung für die Sudetendeutschen (Das interessante Blatt vom 30. Jänner 1919)
Weiterlesen: Sudetendeutsche (Austria Forum)