Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
Seitenpfad
Ihre Position: Oesterreich100.at - Von Tag zu Tag 1917 bis 1919
Inhalt

Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

2. März 1919

Wien am 2. März 1919: "Demonstration der Lehrlinge vor dem Wiener Rathause, welche die Aufhebung des Sonntag- und Abendunterrichtes fordern"
Wien am 2. März 1919: "Demonstration der Lehrlinge vor dem Wiener Rathause, welche die Aufhebung des Sonntag- und Abendunterrichtes fordern", Foto: Richard Hauffe; © Wiener Bilder vom 9. März 1919

Am Sonntag dem 2. März 1919 fand in Wien eine Großdemonstration von Lehrlingen statt, an der sich etwa 10.000 junge Demonstrantinnen und Demonstranten beteiligten. Von den vielen sozialpolitischen Forderungen war den Lehrlingen die Abschaffung des Sonntagsunterrichts und des Abendunterrichts in den Berufsschulen besonders wichtig. Die Wiener Bilder berichteten:

"Um neun Uhr früh begann der Aufmarsch. Auf den Tafeln und Standarten waren unter andern die Inschriften zu lesen: 'Wir sind die junge Garde des Proletariats, die Kadetten der Sozialdemokratie', 'acht Stunden Schlaf auch für den Lehrling', 'Nieder mit den Mördern unsrer Jugend, nieder mit den Lehrlingsschindern'. Von der großen Treppe des Rathauses hielten der Vorstand des Verbandes der jugendlichen Arbeiter Marianek und der Vorstand des verbandes der kommunistischen Proletarierjugend Arvin Grad mit stürmischen Zurufen aufgenommene Ansprachen, worauf eine Entschließung gefaßt wurde, welche unter anderem die Verkürzung der Lehrzeit auf die Höchstdauer von zwei Jahren, die Abschaffung des sogenannten 'Kostgeldes', die angemessene Entlohnung, steigend von Halb- zu Halbjahr, ferner die Durchführung der 14stündigen Arbeitswoche, die Gewährung eines vierwöchigen bezahlten Urlaubes, die Errichtung von Erholungsheimen sowie die Einführung von Fortbildungskursen an den Wochenvormittagen, das Verbot, Lehrlinge zu nichtsachlichen Arbeiten zu verwenden, die Straflosigkeit für alle am Streik beteiligten Gewerbeschüler und Rücknahme aller bereits verhängten Strafen fordert."

Eine Abordnung der Lehrlinge wurde von Albert Sever, dem stellvertretenden und später amtierenden Landeshauptmann des Landes Niederösterreich (zu dem die Stadt Wien damals noch gehörte), empfangen, der ihnen versprach, sich für ihre Anliegen einzusetzen. Tatsächlich wurde noch 1919 der 8 Stundentag flächendeckend eingeführt, ebenso die 44-Stundenwoche und der freie Samstagnachmittag. Arbeiterkammern wurden geschaffen, die erstmals Lehrlingsschutzstellen anboten. 1919 wurde mit dem Arbeiterurlaubsgesetz auch erstmals ein bezahlter Urlaub für Arbeiterinnen und Arbeiter eingeführt; Angestellte hatten bereits früher Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Lehrlingsentsschädigung wurde 1922 neu geregelt.

Link:
Eine Demonstration der Wiener Gewerbeschüler (Wiener Bilder vom 9. März 1919)

Alle Einträge anzeigen: Von Tag zu Tag