Am 2. Mai 1918 meldete die in der Wiener Alserstraße 55 erscheinende Jüdische Korrespondenz die Lösung der Oberrabbinerfrage in Wien, die nach dem Rücktritt des Oberrabbiners Moritz Güdemann mehrere Jahre in Anspruch genommen hatte. Als neuer Wiener Oberrabbiner der größten jüdischen Gemeinde auf dem Gebiet des heutigen Österreich wurde Zwi Perez Chajes gewählt, der bis dahin das Amt des Triestiner Oberrabbiners bekleidet hatte.
"Dr. Chajes, welcher einer schon im 14. Jahrhundert bekannten jüdischen Gelehrtenfamilie entstammt, hat die Mittelschule an dem Deutschen Staatsgymnasium in Brody absolviert, wurde 1894 an der Wiener Universität zum Doktor der Philosophie promoviert und erhielt im Jahre 1898 an der theologischen Lehranstalt in Wien, zu deren eminentesten Schülern er gehörte, das Rabbinatsdiplom. Schon als Hochschüler hat Dr. Chajes durch seine wissenschaftliche Tätigkeit die Aufmerksamkeit gelehrter Kreise auf sich gelenkt. Im Jahre 1901 wurde er zum Sekretär des Orientalischen Institutes an der Wiener Universität ernannt, erhielt 1902 eine Berufung nach Florenz, wo er als Professor an der Universität und am Rabbinerseminar Geschichte und Bibel dozierte. Seit 1912 ist Dr. Chajes Oberrabbiner in Triest."
Nachdem Zvi Perez Chajes Oberrabbiner geworden war, übernahm er von 1921 bis 1925 das Präsidentenamt im Zionistischen Aktionskomitee, wurde Mitglied des Kuratoriums der Hebräischen Universität in Jerusalem und übernahm den Vorsitz der Völkerbund-Liga für Österreich. 1919 initiierte er die Gründung des Wiener jüdischen Realgymnasiums (seit 1923 in der Castellezgasse im 2. Wiener Gemeindebezirk), das heute nach ihm benannt ist. Zvi Perez Chajes starb 1927 in Wien und wurde 1952 nach Tel Aviv überführt.
Link:
Die Lösung der Oberrabbinerfrage in Wien (Jüdische Korrespondenz vom 2. Mai 1918)