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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

20. August 1918

Hermann Bahr am Meer
Hermann Bahr am Meer, 1912; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Am 20. August 1918 machten sich die Wiener Caricaturen Sorgen über die unbesetzte Leitung des wichtigsten österreichischen Theaters, des Wiener Burgtheaters:

"Das Burgtheater hat noch immer keinen Direktor, aber eines wissen wir bereits, wer nicht Direktor wird. Herr v. Hofmannsthal und Herr Hermann Bahr haben feierlich erklärt, daß sie nicht daran denken, die Leitung des Burgtheaters zu übernehmen. Etwas komisch – nicht wahr: Ebenso gut hätte der Redakteur unseres Blattes erklären können, er denke nicht daran, das Burgtheater zu übernehmen. Welchen Sinn hat dieses Dementi? Ist es am Ende eine Form, doch wieder darauf hinzudeuten, daß man der geeignete Mann wäre, aber ... u.s.w. […] Nein, weder Herr v. Hofmannsthal noch Herr Bahr sind die Männer, welche das Burgtheater braucht. Herr v. Hofmannsthal liefere weiter Opernstücke für Herrn Richard Strauß, und Herr Bahr war ja immer nur eines der vielen Irrlichter, die über dem heimatlichen Sumpf tanzen. Wo hält Herr Bahr eigentlich heute. Nach den letzten Meldungen soll er klerikal geworden sein – unsern Segen hat er dazu – aber was soll das dem Burgtheater frommen, wenn der Direktor fromm ist?"

Bis 7. Juli 1918 war der ehemalige Leiter der Kunstsektion im Unterrichtsministerium Max von Millenkovich Direktor des Burgtheaters. Da sich dessen "christlich-germanisches Schönheitsideal" nicht mit der Politik Kaiser Karls vertrug, der sich um einen raschen Frieden und ein friedliches kulturelles Zusammenleben der Völker der Monarchie bemühte, wurde er abgelöst und erst Anfang September 1918 durch ein Dreierkollegium ersetzt, dem tatsächlich auch Hermann Bahr, neben Max Devrient und Robert Michel, angehören sollte.

Der ursprünglich deutschnationale, später liberale Schriftsteller, Dramatiker, Theater- und Literaturkritiker Hermann Bahr, der sich an den bürgerlich-literarischen Strömungen vom Naturalismus, über die Wiener Moderne bis hin zum Expressionismus führend beteiligte, war 1918 tatsächlich bereits "fromm" geworden. Bereits 1912 übersiedelte Bahr nach Salzburg, wo er im Schloss Arenberg wohnte. Dort konvertierte er zum katholischen Glauben und besuchte täglich die Messe. Freunde und Zeitgenossen vermeinten darin bloß eine neue Mode Bahrs, des "tanzenden Irrlichts" aus den Wiener Caricaturen, zu erkennen, die er – wie so oft – wieder ablegen werde. Allerdings blieb Bahr sein restliches Leben katholisch und publizierte in den letzten Lebensjahren sogar in betont katholischen Blättern, vor allem im Neuen Reich und in der Schöneren Zukunft. Hermann Bahr starb 1934 und wurde auf dem Salzburger Kommunalfriedhof begraben.

Links:
Theater (Wiener Caricaturen vom 20. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Freiherr v. Andrian-Werburg zum Generalintendanten der Hoftheater ernannt (1. August 1918)

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