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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

20. Februar 1919

Wahlplakat Hans Neumanns für die Bürgerlich-Demokratische Partei mit einer schillernden Rednerliste, 1919
Wahlplakat Hans Neumanns für die Bürgerlich-Demokratische Partei mit einer schillernden Rednerliste, 1919; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Der erste Wahlgang Deutschösterreichs am 16. Februar 1919 war von einer Flut an Wahlplakaten und Flugzetteln begleitet. Das interessante Blatt berichtete dazu am 20. Februar 1919:

"Wenn sich alle Versprechungen erfüllen, mit denen jetzt die Wähler gespeist werden, wird das goldene Zeitalter nicht mehr weit und der bekannte 'König von Frankreich' mit seinem Sprüchlein, 'jeder Bauer müsse am Sonntag sein Huhn im Topfe haben' ein armer Waisenknabe sein. Für eine Gruppe Mitmenschen haben aber schon die Wahlvorbereitungen eine fruchtbare, ertragsreiche Zeit gebracht. Die Plakatkünstler haben Arbeit in Hülle und Fülle gefunden. An allen Straßenecken kleben Bildergalerien, deren Sujet bestimmt ist, dem Wähler, je nach seiner politischen Ueberzeugung, an die Nerven zu gehen. Er kann sich über die Plakate der Gegenpartei grün und gelb ärgern, über die der eigenen befriedigt lächeln, keinesfalls aber unberührt vorbeigehen. Wenn das Wort nicht genügt, schreit ihm das Bild die Aufforderung entgegen, seine Wahlpflicht nicht zu vergessen […] Die Karikatur im Dienste der Politik ist keine Neuerscheinung, aber so massenhaft und öffentlich wurde sie nie verwendet. Die Kunst der Straße hat neue Impulse gewonnen  […] Eine schöne Zeit für die Plakatkünstler. In dem politischen Gedanken der Bilder ist manche Wahrheit zu finden. Es wird für Sammler hohe Zeit sein, eine Sammlung der Wahlplakate anzulegen, da sie nach der Wahl verschwinden werden."

Das oben abgebildete Plakat für die Bürgerlich-Demokratische Partei wurde vom erfolgreichen Grafiker Hans Neumann (1888-1960) entworfen, der 1919 für die Partei eine ganze Plakatserie gestaltete. Neumann unterhielt ein Atelier am prominenten Wiener Stephansplatz, das zu den größten seiner Art im deutschsprachigen Raum zählte, und als Vorläufer moderner Werbeagenturen gilt.

Die Bürgerlich-Demokratische Partei wurde 1918 in Wien gegründet und sah sich in der liberalen Tradition der Revolution von 1848. Sie erhob den Anspruch Interessensvertreterin von Bürgertum, Mittelstand und Arbeiterschaft zu sein. Den Begriff "bürgerlich" betrachtete die Partei nicht als Klassenbegriff und vertrat deshalb eine am Gemeinwohl orientierte Politik unabhängig von Berufs- und Klasseninteressen. Die Finanzstarke Bürgerlich-Demokratische Partei war im Wahlkampf 1919 stark vertreten und gilt als die Partei, die in Österreich den Wahlkampf durch hohes finanzielles Engagement und den Einsatz von bekannten Persönlichkeiten 'amerikanisierte'. Nach ersten Erfolgen 1919 blieb die Bürgerlich-Demokratische Partei bei späteren Wahlen allerdings erfolglos.

Links:
Die Kunst im Dienste der Wahlbewegung (Das interessante Blatt vom 20. Februar 1919) 
Weiterlesen: Politische Plakate in Österreich im 20. Jahrhundert (PDF, Österreichische Nationalbibliothek)

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