Im Juni 1918 wurde in Wöllersdorf im südlich von Wien liegenden niederösterreichischen Industriegebiet eine neue Garnisonskirche vom "Feldbischof" (Militärbischof) Emmerich Bjelik eingeweiht, wie das Interessante Blatt am 20. Juni mit zwei Fotografien dokumentierte. Die Kirche stand ursprünglich auf freiem Feld in der Nähe einer der wichtigsten Munitionsfabriken der Monarchie. Spätere Bilddokumente zeigen, dass im Laufe der Zeit rund um die Kirche Arbeiterwohnhäuser errichtet wurden.
Das Umland von Wiener Neustadt, und damit auch Wöllersdorf, war auch noch im Zweiten Weltkrieg ein Zentrum der Waffen- und Munitionsherstellung; deshalb kam es dort 1944 zu ausgedehnten Bombardements, denen die meisten Fabriks- und Wohnanlagen zum Opfer fielen. Heute erinnern – abgesehen von den bis heute gebräuchlichen topografischen Bezeichnungen "Raketendörfl" und "Feuerwerksanstalt" – nur noch einige wenige Bauten an die ehemalige Munitionsfabrik.
An der Einweihung der heute nicht mehr bestehenden Kirche, die ursprünglich als Garnisonskirche der Munitionsfabrik diente, sollte ursprünglich auch Kaiserin Zita teilnehmen sollte, die allerdings kurzfristig verhindert war. Die Einweihungsfeierlichkeiten fielen pompös aus. Bereits am Vorabend fand ein Zapfenstreich der Werkskapelle samt Lampion-Umzug statt. An der eigentlichen Einweihung nahm "eine vieltausendköpfige Menschenmenge" teil, wie die Reichspost vermeldete, und noch längere Zeit nach der Einweihung dokumentierte eine öffentlich zugängliche Ausstellung in den Räumen des Offizierskasinos der Fabrik die Leistungen der Munitionsfabrik:
"Die Ehrenkompagnie hatte das Infanterieregiment Nr. 68 gestellt, außerdem waren einige Bataillone deselben Regiments sowie andere Truppenkörper zur Spalierbildung herangezogen […] Die in Fachwerk ausgeführte Kirche stellt sich als ein schmucker Bau im deutschen Stil dar, die Pläne hat der Landsturmoffizial Krause entworfen. Nach Beendigung der erhebenden Feier und dem Abmarsch der Truppen wurde den zahlreich erschienenen Offizieren ein Film über die Tätigkeit der Munitionsfabrik im Kriege vorgeführt. Ein Volksfest für die Arbeiterschaft beschloß den Tag" (Wiener Zeitung vom 10. Juni 1918).
Links:
Einweihung der neuen Garnisonskirche in Wöllersdorf (Das interessante Blatt vom 20. Juni 1918)
Ein Jubiläum der k.u.k. Munitionsfabrik in Wöllersdorf (Reichspost vom 11. Juni 1918)
Einweihung einer Garnisonskirche (Wiener Zeitung vom 10. Juni 1918)