Die Innsbrucker Nachrichten veröffentlichten am 20. September 1918 einen kuriose Bericht des aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Vorarlberg zurückgekehrten Wilhelm Lochner. Der Landsturm-Oberjäger Lochner hatte sich im Sommer 1918 zur gleichen Zeit in Jekaterinburg aufgehalten wie der abgesetzte und dort internierte ehemalige russische Zar Nikolaus:
"Bei der Bewachungsmannschaft waren Kriegsgefangene, besonders Ungarn und Reichsdeutsche. Lochner sprach mit einem Kriegsgefangenen, welcher die persönliche Wache beim Russenzaren hatte: der Zar ließ sich mit dem Kriegsgefangenen in ein Gespräch ein und erfuhr so, daß er einen österreichischen Kriegsgefangenen zu seinem Wächter habe. Kopfschüttelnd und nachdenklich sagte der gestürzte Herrscher, er hätte es sich nicht träumen lassen, daß er in seinem Riesenreiche einmal von einem österreichischen Kriegsgefangenen in strengster Wacht gehalten werde und sich dessen Anordnungen zu fügen habe."
Zar Nikolaus wurde im Zuge der Russischen Revolution 1917 zur Abdankung gezwungen und mit seiner gesamten Familie unter Hausarrest gestellt. Großbritannien, das der Zarenfamilie ursprünglich Asyl angeboten hatte, zog dieses Angebot wieder zurück, da man mit der Aufnahme des ehemaligen Zaren revolutionäre Unruhen in England befürchtete. Im April 1918 wurde die Zarenfamilie nach Jekaterinburg verlegt, wo sie in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli ermordet wurde. Am Erschießungskommando nahmen tatsächlich auch mehrere ungarische Kriegsgefangene teil, deren Namen seit einem zufälligen Aktenfund aus dem Jahr 1993 bekannt sind.
Links:
Oesterreichisch-ungarische Kriegsgefangene als Bewacher des entthronten Zaren (Innsbrucker Nachrichten vom 20. September 1918)
Weiterlesen: Die Ermordung der Zarenfamilie
Weiterlesen: Faksimile der Namensliste des Erschießungskommandos (auf russisch)