Ledige Mütter lebten im frühen 20. Jahrhundert in steter Gefahr der Verelendung, da soziale Unterstützungen kaum vorhanden waren und die gesellschaftliche Norm vorsah, dass der (Ehe-) Mann für das Familieneinkommen sorgte. Im Zuge des Krieges wurde dieses Problem dadurch verstärkt, dass zahlreiche junge Männer auf den Schlachtfeldern den Tod fanden und ihre Verlobten Frauen, oft schon mit Kindern, "unversorgt" zurückließen. Eine Maßnahme der Regierung war daher die Ehelicherklärung unehelich geborener Kinder, da Rechte ehelicher Kinder umfassender waren als solche unehelicher Kinder, insbesondere im Erb- und Unterhaltsrecht.
Am 21. Juni 1918 erinnerte Der Tiroler ledige Mütter daran, Gesuche einzureichen, um ihre unehelichen Kinder für eheliche erklären zu lassen, "wenn der Vater nachweislich die Absicht hatte, die Mutter des Kindes zu heiraten oder doch wenigstens wie ein eheliches zu behandeln, unter weitgehender Berücksichtigung der dafür sprechenden Umstände […] soweit nicht schutzwürdige Interessen der ehelichen Kinder oder wichtige Bedenken vom Standpunkte der öffentlichen Sittlichkeit einer Ehelicherklärung im Wege stehen […] Welche Schritte sind nun, um eins solche Ehelichkeitserklärung zu erhalten, notwendig? Die Mutter unehelicher Kinder eines gefallenen oder verstorbenen Kriegers hat sich mit ihrem Ansuchen um Ehelicherklärung der Kinder und um die Annahme des Familiennamens des Vaters ihrer Kinder am besten an das zuständige k.k. Bezirksgericht zu wenden, wo sie womöglich Beweise zu erbringen hat, daß der verstorbene Kindesvater die Absicht hatte, die Kindesmutter zu ehelichen."
Mit der Ehelicherklärung nahm das Kind den Namen des Vaters an, allerdings war dies den Müttern nur dann erlaubt, wenn "zwischen den gefallenen oder verstorbenen Kriegern und Frauen und Mädchen ein Verlöbnis stattgefunden hat."
Die Ungleichbehandlung ehelicher und unehelicher Kinder bestand lange und wurde erst mit den Familienrechtsreformen in den 1970er Jahren und dem Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes vom 30. Oktober 1970 weitestgehend beendet. Wenn auch keine gänzliche Gleichstellung erreicht wurde, so gab es doch wesentliche Verbesserung im Erb- und Unterhaltsrecht.
Link:
Über die Ehelicherklärung unehelicher Kinder gefallener oder verstorbener Krieger (Der Tiroler vom 21. Juni 1918)
Heute vor 100 Jahren: Unterhaltsleistungen 1918 (14. Jänner 1918)