Am 21. Oktober streute Der Humorist einem aufsteigenden Stern am Wiener Theaterhimmel tausende Rosen:
"Mehr als von jeder anderen Tätigkeit gilt von der künstlerischen das Wort: daß viele erwählt, doch wenige berufen sind. Unter diese Günstlinge der Musen zählt ganz entschieden die jugendliche Heroine Toni Dietrich, hervorgegangen aus der vorzüglichen Theaterschule Direktor Ernst Wielands. Es ehrt den Meister ebenso wie seine Schülerin, daß er deren Begabung zum Talent heranbildete und dies mehr als nur auf die übliche Schablone stellte, der leider vorwiegend unserem künstlerischen Nachwuchs eignet. Toni Dietrich zeigte Persönlichkeit als sie die ersten Schritte in die Öffentlichkeit des Bühnenlebens unternahm und es ist auch dem Direktor Höllering hoch anzurechnen, daß er seinem Kunstinstitute diese junge, vielverheißende Kraft gewann und für die nächsten zwei Jahre sicherte. Was Toni Dietrichs Können in vorausgegangenen Schülervorstellungen versprach, wird es später reichlich halten. Ihre Königin Elisabeth ('Könige'), Magda ('Heimat') und Vroni ('Meineidbauer') waren von eigener Persönlichkeit und großzügigem Auffassen der Rolle erfüllt und so darf wohl auch die Künstlerin zuversichtlich nach immer Höherem streben, sich an die Schwierigkeiten der Doppelrolle Marina-Thaisa der Shakespearschen Tragödie 'Perikles' wagen, die als Uraufführung demnächst im Neuen Wiener Komödienhause in Szene geht. Schon jetzt hebt ein Wettbewerben der Bühnenleiter um den Gewinn des aufstrebenden Bühnensternes Toni Dietrich an…"
Antonia Dietrich kam am 8. Jänner 1900 in Wien zur Welt, absolvierte 1917 die Schauspielschule des k.k. Hofburgtheaters. Sie debütierte in dem am 12. Oktober 1918 eröffneten Neuen Wiener Komödienhaus in der Wiener Nussdorferstraße 4, am Standort der ehemaligen Volksbühne (später befand sich hier das Kolosseum Kino, das 2002 einem Supermarkt weichen musste). Nach Ablauf ihres 2-jährigen Engagements holte Paul Wiecke die Dietrich an das Sächsische Staatstheater in Dresden, wo sie 1919 als "Gretchen" in Goethes Faust mit Anhieb zum Publikumsliebling avancierte.
Antonia Dietrich wurde auch für Filmrollen gebucht und stand 1923 im Film "So sind die Männer" mit einer anderen – später weltberühmten – Dietrich vor der Kamera, nämlich mit Marlene Dietrich. 1924 schrieb Antonia Dietrich mit ihrer Interpretation der Iphigenie auf Tauris Bühnengeschichte.
Im 2. Weltkrieg ausgebombt lebte sie kurze Zeit in Oberhessen, kehrte aber bereits 1945 in ihr geliebtes Dresden zurück, wo sie 1975 verstarb und am Dresdner Waldfriedhof beigesetzt wurde.
Links:
Toni Dietrich (Der Humorist vom 21. Oktober 1921)
Ausführliche Biografie Antonia Dietrichs (Sächsische Biografie)