Im Ersten Weltkrieg konnte man nicht nur bei Lebensmitteln und wichtigen Ressourcen einen enormen Preisanstieg beobachten, sondern auch bei Theaterkarten wurden immer teurer, wie die Neue Freie Presse am 22. März 1918 berichtete: "Es ist jedoch eine unleugbare Tatsache, daß sich auf dem Theaterkartenmarkt Zustände herausgebildet haben, die in ihrer Art ebenso nach Abhilfe schreien wie die Situation der verschiedenen Lebensmittelmärkte, der man seit Jahr und Tag mit mehr oder weniger glücklichen Experimenten beizukommen bestrebt ist."
Trotz des Krieges und der hohen Eintrittspreise strömte das Wiener Publikum in die geliebten Theatervorstellungen, und in den Kartenbüros herrschte ein reges Treiben. Der anhaltende Andrang verleitete die Theaterschaffenden offenbar zur Eintrittskarten-Preistreiberei: "Zu Beginn des Krieges wollten die Theaterdirektoren am liebsten zusperren, überlegten zitternd, ob sie sich wirklich getrauen dürften, zwei oder dreimal in der Woche zu spielen. Dann ging der erste panikartige Schrecken allmählich vorüber und man sah zu seinem Erstaunen, daß die Leute doch das Bedürfnis hätten, auf andere als auf Kriegsgedanken zu kommen. So gab man sich denn jede, erdenkliche Mühe, versprach das Blaue vom Theaterhimmel herab, in erster Linie natürlich herabgesetzte Preise, als ob jeden Tag klassischer Montag wäre. Der Krieg dauerte fort und die Direktoren kamen immer mehr zu der Erkenntnis, daß dies für sie keine Einbuße, sondern eher eine Konjunktur bedeute. Die Früchte dieser Erkenntnis sind leider alles eher denn bekömmlich. Die Folgerungen, welche die Mehrzahl unserer Bühnengewaltigen aus der Theaterlust, dem Theaterbedürfnis des Publikums in der Kriegszeit ableiten und die in der Zusammenstellung der Spielplane der Wiener Bühnen so drastischen Ausdruck finden, sollen heute außer Diskussion bleiben. Es hatte aber nicht bei der Verschlechterung der Theaterware sein Bewenden, sondern gleichzeitig schnellten jetzt die Billettpreise unheimlich in die Höhe."
Tatsächlich flüchteten viele der Daheimgebliebenen in Kinos und Theater, um dem Alltagskummer zu entfliehen, den der Krieg mit sich brachte (siehe dazu auch die Geschichte vom 4. September 1917). Filme (alleine während des Ersten Weltkriegs wurden 1.500 Filme in der Donaumonarchie produziert) und Theateraufführungen (in jedem Kriegsjahr gab es alleine in Wien etwa 30 Operettenpremieren!) ermöglichten diese temporäre Flucht in die Scheinwelt. Den Erfolg des Theaters konnte also auch die Preistreiberei nicht behindern und "die Leute stellen sich bei den Theaterkartenbureaux an, als wären dort Erdäpfel erhältlich."
Links:
Preistreiberei mit Theaterkarten (Neue Freie Presse vom 22. März 1918)
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