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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

23. April 1918

Heile die Trunksucht - Werbeeinschaltung 1913
Heile die Trunksucht, 1913; © Das Interessante Blatt vom 9. Oktober 1913

Die Grazer Mittags-Zeitung berichtete am 23. April 1918 von der Gründung der Trinkerfürsorgestelle in St. Pölten in Niederösterreich. Diese Anstalt war die sechste ihrer Art in Österreich und richtete sich in einem ganzheitlichen Ansatz nicht nur an Alkoholkranke alleine: "Dieselbe bezweckt, die Trinker und deren Angehörige zu beraten, die Trinker durch Besuche der Helfer und Helferinnen zu enthaltsamen Leben zu gewinnen, um sie dadurch der Familie und der Gesellschaft zurückzugeben."

Alkoholismus wurde im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ein immer drängenderes soziales Problem, von dem besonders ärmere Bevölkerungsschichten betroffen waren. Es war deshalb insbesondere die Arbeiterbewegung, die den Alkoholismus thematisierte und bekämpfte.

Prominente Alkoholgegner fanden sich aber im ausgehenden 19. Jahrhundert in allen politischen Lagern und vor allem auch in der Frauenbewegung. In linken Kreisen setzte sich die Theorie durch, dass Alkoholismus eine Folge von Verelendung sei, da verarmten Menschen keine anderen Ablenkungen zur Verfügung standen. Bürgerliche Kreise gingen hingegen davon aus, dass erst der Alkoholismus ins Elend führe. Es wäre aber nicht Österreich, hätten sich nicht beide Seiten separat organisiert: 1899 entstand in Wien der Verein der Abstinenten und 1905 der Arbeiter-Abstinentenbund Österreichs.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg fanden Alkoholgegner vor allem im städtisch-industriellen Umfeld immer größere Beachtung, die nicht zuletzt durch die Prohibition in den Vereinigten Staaten (1919-1933) und in Europa durch das strikte Alkoholverbot in Finnland (1919-1932) befeuert wurde.

Einer der bekanntesten österreichischen Vorkämpfer gegen den Alkoholismus jener Tage war der sozialdemokratische Politiker Viktor Adler, der sich in zahlreichen Reden und Aufsätzen diesem Thema widmete und die Meinung vertrat, dass Alkohol die politische Schlagkraft der Arbeiterschaft beschädige.

Bis heute ist Alkoholismus eine bedeutende "Volkskrankheit" in Österreich, rund 370.000 Menschen werden als Alkoholsüchtige klassifiziert, 14% der Bevölkerung weisen einen problematischen Alkoholkonsum auf. Während im Laufe der Jahre ein umfassendes Angebot an Hilfseinrichtungen für Süchtige aufgebaut wurde, blieben die Angehörigen mit ihren Sorgen lange Zeit alleine.

Links:
Trinkerfürsorgestelle in St. Pölten (Grazer Mittags-Zeitung vom 23. April 1918) 
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