Am 23. Dezember 1917 erschien das Gedicht "Weihnachtsabend 1917":
"Frau Zehetmayer, die Briefträgerin
War niemals große Wunschhegerin,
Von ihrem Beruf auch nicht sehr entzückt,
Doch Zehetmayer war eingerückt.
Da hätt' sie gerne für ihre Marianne
Grad' heuer eine richtige Weihnachtstanne,
Geputzt mit Nüssen, Äpfeln und Lichtern,
Mit Zuckerwerk, Lebkuchengesichtern,
Engeln und Ketten, mit Rosen und Flitter,
Darüber ein Gold- und Silbergezitter,
Mit Wurstel, Puppe und Spielzeug ohn' End —
Kurz, was man bei uns einen Christbaum nennt.
Sie hat auch nach vielen ruh'losen Stunden
Etwas Fichtenähnliches endlich gefunden,
Denn Müh' muß am End' sich treulich belohnen
Um lumpige, schäbige neuneinhalb Kronen,
Ohne Kreuz natürlich, doch war es zu loben,
Daß das alte von früher sie aufgehoben.
Mein Gott, der Aufputz, er war nicht billig,
Doch der Kaufmann war gnädig und mehr als willig,
Er ließ ihr — weil sie 'ne Amtsperson —
Von Zuckerln gleich einen ganzen Karton.
Papiere war'n da, die Ketten gesponnen,
Geflochten die gold'nen und silbernen Sonnen,
Die Lichter waren zwar nicht zu haben,
Doch dafür alte im Kasten begraben.
Kurz, alles nach Wunsch fast, die Puppe, das Häubchen,
Sogar ein lebendiges Turteltäubchen
Und als Schönstes unten ins Christbaummoos
Ein herrlicher Wurstel, fast lebensgroß.
Wie freut sich die Mutter, daß alles gelungen,
Daß sie sogar die Wuch'rer bezwungen
Und mitten in knappesten Elendstagen
Den Kriegsgewinnern ein Schnippchen geschlagen...
Das Christkind läutet nach Mariandl,
Die gerade die Puppe badet im Wandl...
Im Zimmer steht wie ein Friedenstraum
Ein licht erstrahlender Tannenbaum,
Wie Kindesauge ihn stets ersehnt,
Am Baum der riesige Wurstel lehnt.
Zur Mutter eilt sie mit vielen Küssen,
Greift dann nach den Äpfeln,
Greift dann zu den Nüssen,
Besieht, beguckt, begreift und hascht,
Dann Kindermündchen begierig nascht.
"Wie schön und wie gut, das liebe Hauberl
Und da noch das herzige graue Tauberl
Und ein Wurstel, größer noch als im Prater,
Doch Mutter sag mir: Wo ist der Vater?"
Frau Zehetmayer, die Briefträgerin
Hat sonst einen festen, trotzigen Sinn.
Zwar viel gelang ihr in Kriegsnottagen,
Dem Kinde konnt' sie kein Schnippchen schlagen..."
Frauen, deren Ehemänner Militärdienst an der Front leisteten, erhielten zwar staatliche Unterhaltszahlungen, die aber kaum zum Überleben ausreichten. Deshalb sahen sich viele von ihnen gezwungen ehemals männlich dominierte Berufe zu übernehmen. Frauen arbeiteten in zahlreichen Berufen, die vor 1914 Männern vorbehalten waren, darunter als Briefträgerinnen, Straßenbahnfahrerinnen, Schaffnerinnen und Straßenarbeiterinnen. In der Rüstungsindustrie betrug die tägliche Arbeitszeit für Arbeiterinnen bis zu 13 Stunden, wobei diese Arbeiterinnen oft nicht einmal die Hälfte des Lohnes eines Mannes erhielten, da sie für weniger leistungsstark gehalten wurden. Nach dem Krieg wurde den Frauen für ihren Einsatz kaum gedankt, und überlebende Männer kehrten auf ihre ehemaligen Arbeitsplätze zurück.
Adelheid Popp, eine Vorkämpferin für Frauenrechte und eine der ersten weiblichen Abgeordneten der Ersten Republik, stellte im März 1918 fest: "Als Männerersatz haben die Frauen überall Verwendung gefunden, wo menschliche Arbeit gebraucht wird. Schweres und Unmenschliches haben die arbeitenden Frauen im Krieg erduldet. Die hergebrachten Redensarten aber von der Frau, die ins Haus gehöre, könnte man endlich aufgeben."
Links:
Weihnachtsabend 1917 (Sport und Salon vom 23. Dezember 1917)
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