Am 23. November 1917 berichtete Die Neue Zeitung von der Eröffnung eines aufsehenerregenden Gerichtsprozesses in Wien. Am 1. Oktober desselben Jahres war es am Wiener Ostbahnhof zu einem folgenschweren Zwischenfall gekommen: Der Dragoner-Korporal Josef Birrer stand außerhalb seiner Reihe und wurde deshalb von zwei Offizieren wiederholt aufgefordert, sich an seinen Platz zu begeben. Als Birrer, der offenbar betrunken war, dem Befehl nicht Folge leisten wollte, gab ihm einer der Offiziere, Oberleutnant Reckzügel, mehrere Ohrfeigen und einen Fußtritt.
Der Soldat Josef Moriz, der mit einigen Zivilisten abseits stand, um Abschied zu nehmen, wurde Zeuge des Vorfalls. Moriz hielt sich über das Vorgehen des Oberleutnants auf und bemerkte, indem er sich bückte und eine entsprechende Geste mit der Hand machte, dass vor ihm ein Offizier "ganz klein [sein] müsse." Daraufhin packte ihn der Offizier Karl Zerdik an der Uniformbluse und versetzte ihm mehrere Schläge ins Gesicht. Moriz versuchte sich zu wehren, was dazu führte, dass der Offizier, der sich in seiner Ehre getroffen fühlte (wie er später vor Gericht aussagte), sein Bajonett zog und Moriz mit einem Stich ins Herz tötete.
Das Gericht verurteilte Zerdik nach dem Militärstrafgesetz wegen fahrlässiger Tötung zu 6 Wochen "Profossen-Arrest" (eine spezielle Form des Arrests für Offiziere in einem unversperrten Zimmer mit eigener Verpflegung), und Oberleutnant Reckzügel zu 6 Tagen Hausarrest. Die Urteile, die am 28. November 1917 publik wurden, stießen insbesondere in der sozialdemokratischen Presse auf harsche Kritik.
Links:
Der Tod des Dragoners Moriz (Die Neue Zeitung vom 23. November 1917)
Der Offizier, der den Dragoner erstach (Arbeiter-Zeitung vom 28. November 1917)