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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

24. Jänner 1919

Anstellen, um im ersten Kriegsjahr 1914 Mehl zu kaufen
"Kopflose Maßnahme des Publikums: Masseneinkauf von Mehl…", 6. August 1914, © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Schon während des Ersten Weltkriegs waren Süßigkeiten Mangelware. Auch Kekse, noch dazu aus weißem Mehl, waren kaum zu bekommen. Durch den verlorenen Krieg verschärfte sich die Versorgungskrise in Nachkriegsösterreich und der Schleichhandel eskalierte. So berichtete am 24. Jänner 1919 das Neuigkeits-Welt-Blatt über Schleichhändler, die im Geheimen mit Keksen handelten:

"Anläßlich der Anhaltung eines Burschen, der in einem Delikatessengeschäfte mehrere 100 Stück Keks aus reinem weißen Mehle um 40 Heller [0,10 Euro] per Stück verkaufen wollte, wurde erhoben, daß diese Kekse in zwei geheimen Bäckereibetrieben in Privatwohnungen, und zwar bei der Magistratsbeamtenwitwe Adele Jung, 8., Josefstädterstraße Nr. 97 wohnhaft, und bei der Briefträgergattin Aschenbrenner, 13., Felbigerstraße Nr. 58 wohnhaft, erzeugt worden sind. Der Hauptunternehmer war der seit Jahr und Tag desertiert gewesene Rudolf Haftl,[…] Sie pflegten auf einmal 1000 bis 2000 Stück Keks herzustellen. Der Reingewinn betrug jedesmal zirka 150 bis 250 K [30,- bis 50,- Euro], welchen sie zu dritt teilten. Mehl, Zucker, Fett, beschafften sie sich im Schleichhandel, zum großen Teile durch Vermittlung des Buchdruckergehilfen Benjamin Hecht. Haftl hat auch mit gefälschten Brotkarten manipuliert. Gegen alle Beteiligten wurde die Strafamtshandlung eingeleitet."

Viele Lebensmittel wurden nur gegen die Abgabe von Lebensmittelmarken verkauft. Um an diese Lebensmittel zu kommen, war es oft notwendig sich stundenlang vor individuell zugewiesenen, also "rayonierten", Ausgabegeschäften anzustellen. Am Schwarzmarkt konnte man hingegen – zu weit überhöhten Preisen – größere Mengen an Lebensmitteln erhalten. Im Jänner 1918 kostete beispielsweise ein Kilo Mehl 1,20 Kronen [0,60 Euro], während es am Schwarzmarkt fast um einen fast siebzehnfach höheren Preis, nämlich um 20 Kronen, verkauft wurde.

Links:
Geheime Bäckereibetriebe. Wo die Keks aus weißem Mehl herkommen (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 24. Jänner 1919)
Heute vor 100 Jahren: Razzia im Café Schleichhandel (4. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die "Rayonierung" (15. September 1918)

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