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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

25. Jänner 1919

Arbeitslose stehen vor einer Volksküche zur Ausspeisung angestellt, zwischen 1918 und 1938
Wien in der Ersten Republik: Arbeitslose stehen vor einer Volksküche zur Ausspeisung angestellt, ohne Jahr; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Am 25. Jänner 1919 erschien eine Abordnung Arbeitsloser, Arbeiter und Handelsangestellter – allesamt Mitglieder der Kommunistischen Partei – unter Führung Karl Steinhards, Mitbegründer der KPÖ sowie der Komintern und späterer Wiener Vizebürgermeister (1945/46), im Parlament und übergab dem Staatssekretär für soziale Fürsorge Ferdinand Hanusch eine radikale Forderungsliste wie das Fremden-Blatt tags darauf berichtete:

"Sie fordern die Schaffung von großen öffentlichen Notstandsarbeiten. An den Stätten dieser Arbeit muß von den Arbeitenden selbst durch einen von ihnen gewählten Ausschuß die Kontrolle über die Produktion (Arbeitszeit, Löhne usw.) ausgeübt werden. Für die Dauer der Arbeitslosigkeit muß in allen Betrieben die Arbeitszeit in dem Maße herabgesetzt werden, daß das Heer der Arbeitslosen genügende Beschäftigung findet. Für die Arbeitslosen muß ein ausreichender Lebensunterhalt gesichert sein. Daher muß die Arbeitslosenunterstützung den Betrag des bisherigen vollen Durchschnittslohnes erreichen, mindestens aber auf 15 Kronen täglich (!) erhöht werden. Die Geldmittel werden von den Unternehmern und der Staatsverwaltung aufgebracht. Die Arbeitslosen müssen unter dem besonderen Schutz der Mieterschutzordnung gestellt werden. Der Mietzins muß ihnen bis auf weiteres gestundet werden. In der Lebensmittelfürsorge müssen die Arbeitslosen ihrer Notlage entsprechend bedacht werden. Die volle Schwerarbeiterlebensmittelquote muß ihnen ausgeteilt werden […] Ferner sollen die Vermögenden von der Beteiligung mit den rayonierten Lebensmitteln ausgeschlossen werden. Die Unternehmer haben eine einmalige Bekleidungs- und Beschuhungsaushilfe von 800 Kronen oder Kleider und Schuhe in natura für sämtliche Arbeitslosen und Arbeiter aufzubringen. In den Betrieben, in denen die Arbeit aus Kohlen- und Rohstoffmangel zeitweise stille steht, oder die Arbeitszeit herabgesetzt ist, muß trotzdem der volle bisherige Durchschnittslohn täglich weiter ausbezahlt werden. Das Arbeitsbuch muß sofort abgeschafft werden."

Hanusch erläuterte der Delegation die verzweifelte finanzielle Lage Staates, die eine Erfüllung der Forderungen – auch nur in Teilen – nicht möglich mache und wies sie auf die die Tagung einer von der Regierung beauftragten Kommission zur Arbeitslosenfrage hin, die am 15. Februar 1919 tagen würde. Tatsächlich stiegen die Arbeitslosenzahlen nach dem Krieg eklatant an: Im ersten Halbjahr 1919 waren rund 400.000 Menschen arbeitslos, für die noch im November 1918 eine geringe provisorische Arbeitslosenunterstützung eingeführt wurde. Es sollte bis ins Jahr 1920 dauern bis zumindest diese provisorische Arbeitslosenunterstützung durch die Arbeitslosenversicherung abgelöst wurde.

Links:
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Fremden-Blatt vom 26. Jänner 1919)
Weiterlesen: Arbeitslosenunterstützung (Einführung)

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