Am 26. Juli 1918 machte Die Neue Zeitung ihre Leserinnen und Leser auf eine Kundmachung des Wiener Magistrats über die Gehsteigreinigung aufmerksam. Die Eigentümer und Verwalter von Liegenschaften wurden ab sofort dazu verpflichtet Gehsteige entlang der gesamten Länge des jeweiligen Gebäudes täglich zwischen 20 und 22 Uhr zu säubern. Im Sommer mussten sie die Gehsteige zusätzlich auch noch zwischen 7 und 8 Uhr morgens und zwischen 14 und 15 Uhr nachmittags mit Wasser bespritzen und reinigen:
"Bei trockener Witterung sind die Gehwege erst zu bespritzen und sodann zu kehren, damit Staubentwicklung vermieden werde. Bei Frostwetter ist die Bespritzung zu unterlassen […] Bei der Reinigung darf Kot und Kehricht nicht in das Straßenrinnsal gekehrt werden, sondern er ist zu sammeln, im Hause zu hinterlegen und mit dem Hauskehricht zum Kehrichtsammelwagen zu bringen. Wo keine abgegrenzten Bürgersteige bestehen, ist längs der einzelnen Liegenschaften der Weg in einer Breite von Mindestens 1¼ Metern vorschriftsmäßig zu bespritzen und zu reinigen […] Übertretungen dieser Kundmachung werden mit Geldstrafen bis zu 400 Kronen oder Arreststrafen bis zu 14 Tagen geahndet."
Die angedrohten Strafen bei Nichteinhaltung der Kundmachung waren – auch in Anbetracht der damals üblichen Gehälter (ab einem Jahresgehalt in der Höhe von 2.000,- Kronen unterlag man der Einkommenssteuer) – durchaus hoch. 400 Kronen entsprachen trotz der galoppierenden Inflation 1918 etwa 250,- Euro, der Vorkriegswert lag sogar bei 2.200,- Euro.
Die in der Kundmachung genannten Kehrrichtwägen wurden von Privatunternehmern – umgangssprachlich als "Mistbauern" bezeichnet – betrieben und blieben in Wien bis 1927 im Einsatz, als sie durch das hygienischere "Colonia System" ersetzt wurden.
Links:
Reinigung der Gehwege (Die Neue Zeitung vom 26. Juli 1918)
Weiterlesen: Geschichte der Wiener Straßenreinigung