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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

25. September 1918

Das Etablissement Ronacher in der Wiener Innenstadt
Das Etablissement Ronacher in der Wiener Innenstadt, um 1896; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Der Tiroler gab am 25. September 1918 einen Einblick in die Gehälter von Künstlern an den großen Varietébühnen der Monarchie. Ein Minister der kaiserlichen Regierung erhielt damals umgerechnet (gemessen am Vorkriegswert der Krone) etwa 90.000,- Euro jährlich. Die großen Varieté-Stars erhielten dagegen monatliche Gagen von bis zu 100.000,- Euro, während an den großen Bühnen auch weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler nicht unter 16.000,- Euro im Monat ausstiegen:

"Wenn ein Schauspieler oder Sänger 500, 1000, 1800 oder gar 2000 Kronen monatlich bekommt, dann staunen Bürger und Beamte. Was bekommt aber ein Künstler im Varieteetheater? Direktor Dorn vom Ronacher in Wien antwortet darauf: Keine Gage unter 3000 Kronen monatlich, die meisten aber 3000, 6000, 10 000 Kronen! Grete Wiesenthal erhält 13 000 Kr. im Monat, die Schwestern Wiesenthal bekommen dieselbe Gage, der Mimiker Matrei 15 000 Kronen, die Mizzi Günther 18 000 und Louis Treumann 12 000 Kronen. – Ein Minister mit seinen 16 000 Kronen jährlich ist dagegen ein armer Schlucker!"

Die Namen der "Stars" der untergehenden Monarchie und der Ersten Republik, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts quasi österreichische "household names" waren, die jeder kannte, sind heute fast vergessen:

Grete Wiesenthal war eine begnadete Tänzerin an der Wiener Hofoper, die gemeinsam mit ihren Schwestern eine unabhängige Tanzgruppe bildete, die durch ganz Europa tourte. Wiesenthal, die während des Nationalsozialismus verfolgte Künstlerkollegen in ihrer Wohnung Unterschlupf gewährte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 Leiterin der Tanzabteilung der Akademie für Musik und Bildende Kunst in Wien, inszenierte bei den Salzburger Festspielen und wirkte als Choreographin und Tanzpädagogin. Die Wiesenthalgasse in Wien-Favoriten erinnert an die 1970 verstorbene Künstlerin.

Der "Mimiker Matrei", eigentlich Ernst Matray aus Budapest, wurde 1907 von Max Reinhard entdeckt und spielte vor allem skurrile Rollen. Während des Ersten Weltkriegs trat er als Grotesktänzer in verschiedenen Filmkomödien auf. Matray arbeitete eng mit dem Regisseur Ernst Lubitsch zusammen und folgte diesem 1933 als Choreograph und Regisseur nach Hollywood, wo er nach vielen produktiven Jahren 1978 verstarb.

Die Operetten-Soubrette Mizzi Günther, die mit dem Burgschauspieler Fed Hennings verheiratet war, galt als die führende Operettensängerin Wiens. Noch im Alter von 76 Jahren trat sie an der Wiener Volksoper in "Die lustige Witwe" auf. An die 1961 verstorbene Schauspielerin erinnert heute der Mizzi-Günther-Weg in Wien-Floridsdorf.

Mizzi Günthers Bühnenpartner Louis Treumann, ursprünglich Alois Pollitzer, hatte ein weniger glückliches Schicksal. Der Frauenschwarm Treumann war wie Mizzi Günther ein gefeierter Lehar-Interpret und feierte seinen internationalen Durchbruch 1905 in der Rolle des "Danilo" bei der Weltpremiere der Operette "Die lustige Witwe" am Theater an der Wien. Während des Nationalsozialismus versuchten berühmte Schauspielerkollegen (darunter auch Theo Lingen) ihre schützende Hand über Louis Treumann und dessen Ehefrau zu halten, die beide jüdischer Herkunft waren. Auch Franz Lehar setzte sich vergeblich für die Treumanns ein. Das Ehepaar wurde 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo Stefanie Treumann nach nur 2 Monaten verstarb. Der 70-jährige Louis Treumann folgte ihr ein knappes Jahr später. 1955 wurde zur Erinnerung an Louis Treumann die Girardigasse im 13. Wiener Gemeindebezirk in Treumanngasse umbenannt (an Alexander Girardi erinnert seit damals eine Gasse in Wien-Mariahilf unweit des Theaters an der Wien, dem Girardi 22 Jahre lang als Schauspieler die Treue gehalten hatte).

Links:
Was Varieteekünstler verdienen! (Der Tiroler vom 25. September 1918)
Weiterlesen: Historischer Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank 

Heute vor 100 Jahren: Die "Stars" von damals:
23. September 1918: Toni Girardi
21. Juli 1918: Betty Fischer
25. Mai 1918: Franz Lehar im Film
28. April 1918: Alexander Girardi (Todestag)
20. April 1918: Alexander Girardi (der erste Burgtheaterauftritt)
18. April 1918: Louise Kartousch
13. Dezember 1917: Richard Strauß, Selma Kurz und Leo Slezak
10. November 1917: Mimi Kött
10. Oktober 1917: Traute Carlsen und Karl Forest
27. September 1917: Thea Rosenquist
4. September 1917: Alexander Moissi

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