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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

26. Februar 1919

Die Wiege des "Königs von Rom" in der Wiener Schatzkammer
Die Wiege des "Königs von Rom" in der Wiener Schatzkammer; © Neuigkeits-Welt-Blatt vom 26. Februar 1919

Am 26. Februar 1919 berichtete das Neuigkeits-Welt-Blatt, dass nach Italien nun auch Frankreich einen Anspruch an ein Kunstwerk aus einer Wiener Sammlung anmeldete. Konkret ging es um ein aufwändiges, wie ein Thron gearbeitetes, Zeremonialmöbelstück, das 1814 aus Frankreich nach Wien gekommen war:

"Nach den Italienern, die uns unter wirtschaftlichen Druck wertvolle Besitzstücke und Kunstgegenstände entführten nun zur Abwechslung die Franzosen, um ihre Hand nach wertvollen Stück des Wiener Kunstbesitzes auszustrecken. Der Pariser Munizipalrat beansprucht nämlich, wie wir schon ausführlich mitteilten, die Wiege des Herzogs von Reichstadt, des 'Königs von Rom', die im Jahr 1811 von Paris dem Kaiser Napoleon geschenkt und im Jahr 1814 nach Wien gebracht worden war. Sie befand sich hier zuerst in Schönbrunn, wurde aber schon vor langer Zeit in die Schatzkammer überführt. Was den Rechtstitel der Forderung anbelangt, sei nur erwähnt, daß Maria Louise im Jahr 1814 mit dem 'König von Rom' nach Wien zu ihrem Vater, dem Kaiser Franz, heimkehrte und selbstverständlich mit dem übrigen Eigentum ihres Sohnes auch die Wiege mitnahm."

Am 11. März 1810 heiratete Napoleon Bonaparte die Tochter des österreichischen Kaisers Franz I/II, Maria Ludovika, die heute unter ihrem französischen Namen Marie Louise bekannt ist. Etwa ein Jahr darauf, am 20. März 1811, kam ihr Sohn Napoleon Franz Karl zur Welt, zu dessen Geburt ihm die Stadt Paris ein prunkvolles Wiegenbett schenkte. Napoleon Franz Karl erhielt von seinem Vater Napoleon Bonaparte den Titel "König von Rom". Als Napoleon 1814 als Kaiser abdanken musste, erhielt der "König von Rom" von seinem Großvater Kaiser Franz I den Titel eines "Herzogs von Reichstadt".

Im selben Jahr übersiedelte Marie Louise mit ihrem 3-jährigen Sohn nach Wien und nahm ihr Eigentum, darunter die kostbare Wiege, mit. Napoleon Franz Karl, der seit seiner Kindheit lungenleidend war, verstarb in jungen Jahren 1832 im Schloss Schönbrunn an Tuberkulose und wurde in der kaiserlichen Kapuzinergruft in Wien bestattet. 1940 wurde sein Sarkophag auf Befehl Hitlers nach Paris überführt und im Pariser Invalidendom beigesetzt, wo auch sein Vater Napoleon Bonaparte bestattet worden war.

Das Wiegenbett des "Königs von Rom" wurde 1919 letztendlich nicht nach Frankreich verbracht. Dies geschah unter anderem deswegen, weil die Entente vor allem auf Drängen der Vereinigten Staaten darauf verzichtete die ehemals kaiserlichen Sammlungen in Wien zu zerreißen und auf die verschiedenen Nachfolgestaaten der ehemaligen Monarchie und die Siegerstaaten zu verteilen. Heute steht die Wiege, wie schon seit den 1820er Jahren, in der zum Kunsthistorischen Museum gehörenden Schatzkammer in der Wiener Hofburg.

Links:
Die Wiege des "Königs von Rom" (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 26. Februar 1919)
Weiterlesen: Das Thron-Wiegenbett des Königs von Rom (auf den Seiten des Kunsthistorischen Museums, inklusive Foto)

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