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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

27. August 1918

Landeck um 1905: Der Ausgangspunkt der geplanten Reschenbahn
Landeck um 1905: Der Ausgangspunkt der geplanten Reschenbahn; © Österreichische Nationalbibliothek, Ansichtskarten Online AKON

Am 1. April 1918 wurde in Tirol mit dem Bau einer Teilstrecke der bereits seit 1907 geplanten Reschenscheideckbahn (auch "Reschenbahn") begonnen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden erste Ideen für einen Eisenbahnbau über den Reschenpass, um den Hafen Genua an Tirol und Süddeutschland anzubinden. Die Reschenscheideckbahn sollte dabei Tirol und Vorarlberg mit der norditalienischen Tiefebene verbinden. Das Projekt wurde aufgrund der Dringlichkeit anderer Verkehrsinfrastrukturprojekte immer wieder zurückgestellt. Als aber während des Ersten Weltkriegs Nachschubprobleme an der Südfront auftraten, gewann die Reschenbahn an strategischer Bedeutung, sodass die Bauarbeiten, an denen zahlreiche russische Kriegsgefangene teilnahmen, im Frühjahr 1918 begannen.

Nach dem Waffenstillstand vom 3. November 1918, dem verlorenen Krieg und der Teilung Tirols, wurden die Arbeiten eingestellt. Erst 1944 wurde wieder an einen Ausbau gedacht, der aber aus finanziellen Gründen nicht erfolgte. Trotzdem gibt es bis zum heutigen Tag immer wieder Überlegungen die alten Pläne aus dem Jahr 1907 umzusetzen.

Die Arbeitsbedingungen entlang der Trasse in den Tiroler Bergen waren im Sommer 1918 hart, insbesondere für die am Bau beteiligten Kriegsgefangenen. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger versuchte am 27. August 1918 die Situation gewissermaßen zu erklären:

"Von Landeck angefangen bis hinauf zur Finstermünz regen sich tausend fleißige Hände, eine große Anzahl von Ingenieuren ist rastlos tätig und viele Abteilungen heimischer und fremder Arbeiter finden in den verschiedensten Beschäftigungen guten Verdienst. Die zum Teil durch frühere tirolerische Bahnbauten bekannten Baufirmen Mayreder, Kraus u. Co., Redlich und Berger, Dr. Karger und Ingen. Dr. Riehl teilen sich in die Bewältigung der Arbeit und die Oberleitung ist in die Hand eines Stabes technisch gebildeter Offiziere unter dem Kommando des Herrn k.u.k. Obersten Khu gelegt und sie alle sind mit ehrlich gutem Willen am Werke, den aus den verschiedensten Interessen heraus sich ergebenden Anforderungen und Wünschen gerecht zu werden. Schon heute jedoch scheint leider eine Bewegung im Zuge zu sein, welche diesen Willen zu stören sucht. In mehreren, in den Tagesblättern erschienenen Aufsätzen wurden Angriffe auf die am Bahnbau beteiligten Firmen und die Oberleitung des Bahnbaues unternommen, welche unter Umständen geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung zu untergraben […] In den erwähnten Aufsätzen wurde der Vorwurf erhoben, daß die beim Bahnbau beschäftigten fremden Arbeiter infolge zu geringer Fürsorge der Firmen in Lumpen gehüllt herumgehen müssen, daß sie die heimische Bevölkerung durch Betteln von Lebensmitteln belästigen und allerhand Diebstähle verüben. Die Arbeiter, heißt es, verdienen zwar viel Geld, dasselbe wird ihnen jedoch unter allerhand Titeln, wie Krankenkasse, Verpflegsartikelfassung usw., wieder aus dem Sacke gezogen. […] Es dürfte im Interesse der Bevölkerung des Bahnbaugebietes und seines Hinterlandes liegen, hiezu einige sachliche Aufklärungen zu geben. Daß fremde Arbeiter, besonders unter den gegenwärtigen schweren Zeiten der Lebensmittelknappheit, eine Belästigung der heimischen Bevölkerung darstellen, kann vernünftigerweise niemand in Abrede stellen. Jedoch sei die Tatsache hervorgehoben, daß nach Feststellung der in Frage gelangenden Gemeindevorstehungen von den am Bahnbau beteiligten Firmen stets in erster Linie darauf Rücksicht genommen wurde, die erforderlichen Hilfsarbeiter möglichst aus den Reihen der Einheimischen zu nehmen. […] So waren die Firmen also gezwungen, auf fremde Arbeiter zu greifen und sie unter Aufwand teilweise sehr großer Kosten von fernher, aus Polen usw., heranzuholen. Solche Leute kamen in vielen Fällen mit einer Bekleidung zum Bahnbau, die allerdings kein Festtagsgewand war. Das Kommando und die Einzelfirmen bemühten sich, die mangelnden Kleider und Wäsche, die heute auch für Einheimische im freien Ankauf nicht mehr erhältlich sind, durch die Kleider- und Stoffe-Zentralstellen zu beschaffen."

Links:
Zum Bau der Reschen-Scheideck-Bahn (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 27. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Gailtalbahn (30. Jänner 1918)

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