Der Montag berichtete am 27. Jänner 1919 über eine vom österreichischen Sozialphilosophen, Erfinder und Schriftsteller Josef Popper-Lynkeus ausgehende Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht:
"Kürzlich wurde die 'Propagandastelle für Abschaffung der Wehrpflicht' begründet. Zur Einführung in den leitenden Gedanken dieser Vereinigung – Abschaffung des Zwanges zum Kriegsdienst – wurden der Versammlung von einem der Proponenten die in Popper-Lynkeus Schriften dargelegten Gedanken und Vorschläge zur Lösung der Kriegsfrage vorgeführt. Die Forderung, die Wehrpflicht durch Freiwilligkeit des Felddienstes zu ersetzen, sei nach den vier Jahren unerhörten Zwanges und der tollen Verschleuderung von Menschenleben nun endlich doch für die Verwirklichung reif. Der Kriegsdienst soll weder durch monarchische Entscheidung, noch etwa durch die von Volksvertretungen, noch selbst durch Volksreferendum dem einzelnen Bürger aufzwingbar sein; jeder selbst nur muß entscheiden können, ob er seine Haut zu Markte tragen will."
Trotzdem wurde am 6. Februar 1919 von der provisorischen Nationalversammlung ein Wehrgesetz erlassen, in dem die allgemeine Wehrpflicht enthalten war. Aufgrund des am 10. September 1919 unterzeichneten Staatsvertrags von Saint-Germain-en-Laye, wurde die allgemeine Wehrpflicht allerdings wieder aufgehoben und ein Berufsheer mit maximal 30.000 Berufssoldaten eingeführt. Erst 1936, während der Dollfuß-Schuschnigg Diktatur, wurde die allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 42 Jahren wieder eingeführt.
Josef Popper, der 1838 im böhmischen Kolin zur Welt kam und als Ingenieur sein Brot verdiente, veröffentlichte 1899 unter dem Pseudonym Lynkeus die Anekdotensammlung "Phantasien eines Realisten", die vor allem aufgrund ihrer pazifistischen Grundhaltung in Österreich-Ungarn und Russland verboten wurde. Trotzdem machte das Buch den Autor weltberühmt. Nach Albert Einstein gehörte der nunmehr unter dem Doppelnamen Popper-Lynkeus bekannte Autor zu den "wenigen markanten Persönlichkeiten, in denen sich das Gewissen der Generation verkörperte [...] Die Gemeinschaft beziehungsweise der Staat war ihm kein Fetisch; dessen Recht, vom Individuum Opfer zu fordern, gründete er einzig auf dessen Pflicht, dem Individuum, der Einzelpersönlichkeit eine harmonische Entwicklung zu ermöglichen."
Heute erinnert die Lynkeusgasse in Wien-Hietzing, ein Denkmal im Wiener Rathauspark und die Josef Popper-Nährpflicht-Stiftung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main an den großen Denker und Pazifisten.
Links:
Gegen die Wehrpflicht (Der Montag vom 27. Jänner 1919)
Die Josef Popper-Nährpflicht-Stiftung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main