Die Wohnungssituation war in Wien um die Jahrhundertwende bereits sehr angespannt. Während des Weltkrieges verschlimmerte sich die Situation weiter, da der Wohnungsbau nahezu zum Erliegen kam. Erschwert wurde die Situation durch den 1917 eingeführten restriktiven Mieterschutz, der Investoren keinen Anreiz bot neue Wohnungen zu errichten (Wohnungseigentum gab es damals noch nicht).
Um die Wohnungsnot zu lindern kam die Wiener Stadtregierung unter dem christlichsozialen Bürgermeister Richard Weiskirchner auf die Idee schnell zu errichtende schwedischen Holzhäuser versuchsweise zu importieren, von schwedischen Fachkräften errichten zu lassen und zu sozialen Konditionen zu vermieten. Die Neue Freie Presse berichtete am 28. August 1918:
"Die Gemeinde Wien hat sich bei dem Übereinkommen ausbedungen, daß kinderreiche Familien bevorzugt werden, und hat sich auch den Einfluß bei der Festsetzung der Mietzinse gewahrt. Der Beschluß wurde damals vom Gemeinderate unter Zustimmung sämtlicher Gemeinderatsparteien gefaßt. Die Übertragung der Bauten an eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft bürgt dafür, daß die Interessen der Gemeinde Wien in jeder Hinsicht gewahrt werden. Es werden vorläufig in Hietzing (Lainz) 4 Häuser und Kagran 3 Häuser, und zwar verschiedene Typen aufgestellt werden. Sollten sich die schwedischen Holzhäuser bewähren, so wird voraussichtlich in kürzester Zeit die Aktion in größerem Umfange aufgenommen werden. Da unsere Zimmerleute und Monteure mit der Zusammenstellung dieser Häuser infolge deren eigenartigen Konstruktionsweise nicht vertraut sind, wurden aus Schweden die erforderlichen Arbeitskräfte hierher berufen."
Das Projekt stieß aber auch auf Kritik: Die Arbeiterzeitung bemängelte etwa die "Einschiebung eines privaten Geschäftsmannes" und kritisierte, dass die Stadt das Projekt nicht selbst durchführte. Nicht ganz zu Unrecht merkte die Arbeiterzeitung außerdem an, dass die Wiener Wohnungsnot mit den vergleichsweise kleinen Holzhäusern nur schwer zu lösen wäre und die "sehr praktischen und schmucken schwedischen Holzhäuser" zu einem "neuen Spielzeug [für] bürgerliche Snobs" verkommen könnten.
Tatsächlich waren die importierten Häuser aufgrund von Inflation, Diebstählen und baulichen Problemen vergleichsweise teuer wie die Reichspost am 12. Dezember 1918 meldete; außerdem kam es bei der Errichtung der Häuser in Ober St. Veit zu Wassereinbrüchen in den Kellern, was die Kosten in die Höhe trieb. 1919 sollte die mittlerweile sozialdemokratische Stadtregierung die Holzhäuser trotzdem erwerben, um sie dem ursprünglichen Zweck zuzuführen und günstig zu vermieten.
Die 4 Holzhäuser für Arbeiterfamilien befanden sich in der Kagraner Maurischgasse gegenüber der Erzherzog Carl Kaserne (die 2006 großteils für einen Wohnpark abgetragen wurde). Die anderen 4 Häuser standen in der Waldvogelgasse 2-8 in Ober St. Veit und waren für mittelständische Familien gedacht. Heute existieren die Häuser nicht mehr; diejenigen in der Waldvogelgasse (siehe Abbildung), mussten 1962 einem schmucklosen Wohnblock weichen.
Links:
Aufstellung der ersten schwedischen Holzhäuser in Wien (Neue Freie Presse vom 28. August 1918)
Schwedische Hausbauten in Wien (Arbeiterzeitung vom 27. August 1918)
Die schwedischen Holzhäuser in Wien im 13. Und 21. Bezirk beinahe fertig (Reichspost vom 12. Dezember 1918)