Die in Klagenfurt erscheinenden Freien Stimmen zogen 28. Dezember 1918, dem "Tag der unschuldigen Kinder", an dem des biblischen Kindermordes in Bethlehem gedacht wird, Parallelen zwischen dem Kindermord des König Herodes und der kriegsbedingten Hungersnot der Kinder in den besiegten Staaten:
"Dieser Tag, welcher alle Jahre zur Erinnerung an den Kindermord in Bethlehem wiederkehrt, ist doch im Vergleich zu dem großen Kindermord, welcher nun vor aller Augen in Mitteleuropa im 20. Jahrhundert durchgeführt wird, als eine Kleinigkeit zu bezeichnen. Tausende und aber Tausende von unschuldigen Kindern werden durch die eingerissene MiIchnot hingemordet. Und wer trägt die Schuld daran? In erster Linie wohl diejenigen, welche diesen unglücklichen Weltkrieg und die damit verbundene Hungerblockade gemacht haben, und an dessen Folgen nun die Menschheit so furchtbar leiden muß. Aber auch jene sind von der schweren Schuld an dem traurigen Kindersterben nicht freizusprechen, welche mit kaltem Blute herzlos die durch Krieg und Hungerblockade geschaffenen Verhältnisse zu ihrem Nutzen auszunützen verstehen und keine Rücksicht auf ihre ärmeren Mitmenschen nehmen. Darum wird der ‚Unschuldige Kindertag‘ für alle Zeiten ein Schandmal sein für menschliche Selbstsucht, welche selbst die bittere Not hungernder Kinder nicht rühren und zu bessern vermochte."
Am 28. Dezember wird alljährlich im südlichen Kärnten, der Südsteiermark, im südlichen Burgenland und im heutigen Slowenien der Brauch des "Schappens" durchgeführt, der auch als "Frisch und G'sund" oder "Pisnen" bezeichnet wird. Der Brauch wurde zum ersten Mal um das Jahr 500 in einem nordafrikanischen liturgischen Kalender erwähnt und wird in Gedenken an den biblischen Kindermord von König Herodes in Betlehem begangen. Die christliche Kirche betrachtet die ermordeten Kinder als "Erstlingsmärtyrer", denen am 28. Dezember, dem "Tag der unschuldigen Kinder", gedacht werden soll.
Der "Tag der unschuldigen Kinder" wurde ursprünglich als Narrenfest begangen: Geistliche verkleideten sich, sangen, tanzten, spielten Karten, genossen Festspeisen und zogen in Umzügen durch Stadt und Land. Aus den Reihen der Kinder wurden Narrenbischöfe gewählt, denen sich einen Tag lang auch die eigentlichen Bischöfe unterordnen mussten; Kinder durften Erwachsene als symbollsche Bestrafung König Herodes mit Ruten schlugen und Lösegeld verlangen.
Weil der "Tag der unschuldigen Kinder" als Narrenfest gefeiert wurde, versuchte die Kirchenführung den Brauch zu verbieten, was aber erst im Zuge der Reformation beziehungsweise der darauffolgenden Gegenreformation weitgehend gelang. Bis heute ziehen deshalb nur mehr in wenigen Gebieten Kinder am 28. Dezember mit Ruten durch die Straßen um Erwachsene zu "schappen". In Kärnten wird mit einem Tannenzweig "geschappt" beziehungsweise "gepisnet". Meistens wird dazu folgender Vers aufgesagt:
"Frisch und Gsund; Frisch und Gsund;
Lang Leben und Gsund bleiben;
Nix glunzn;
Nix klogen;
Bis i wieder kum schlogen."
Von den "geschappten" Erwachsenen, denen das "Schappen" Glück für das kommende Jahr bringen soll, erhalten die Kinder bis heute Süßigkeiten und einen kleinen Geldbetrag.
Links:
Unschuldiger Kindertag (Freie Stimmen vom 28. Dezember 1918)
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