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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

29. Oktober 1918

Demobilisierte Soldaten an der Grenzstation Marchegg in Niederösterreich, 1918
Demobilisierte Soldaten an der Grenzstation Marchegg in Niederösterreich, November 1918; © Wiener Bilder vom 24. November 1918

In Erwartung des nahenden Waffenstillstandes zeichnete das Neue 8 Uhr-Blatt am 29. Oktober 1918 ein düsteres Bild von der Demobilisierung der k.u.k. Armee. Das planlose Zurückfluten hunderttausender Soldaten, deren Staatsangehörigkeit wegen des Untergangs des habsburgischen Vielvölkerstaates vielfach unklar war, würde zu "mittelalterlichen" Zuständen führen:

"Der Tag des Demobilisierungsbeginnes steht für uns nahe bevor, aber trotz der hervorragenden Beweise von Mut und Tapferkeit, die viele unsrer Truppenkörper in den letzten Tagen wieder gegeben haben, ist es aus verschiedenen Gründen fraglich, ob man in der österreichisch-ungarischen Armee an eine geregelte Mobilisierung wird denken können. Die Vorgänge der letzten Tage haben es mit sich gebracht, daß in vielen der Soldaten ein vollkommen unsicheres Heimatgefühl, das sich mit der 'k.u.k. Armee' keineswegs identifizieren wird, erwacht ist. Das wird – soweit es nicht schon geschehen ist – mit der ersten Stunde des Waffenstillstandes und der Lösung des Zwanges der Feuerdisziplin, nicht nur bei sehr vielen Mannschaften, sondern auch bei Offizieren zum Ausbruche kommen. (In Budapest hat gestern ein Generalstabshauptmann auf offener Straße eine nationale Hetzrede gehalten.) Die nächste Folge wird das stürmische Verlangen der Leute sein, möglichst rasch nach Hause zu kommen und es wird nicht angehen, diesen Wunsch der Leute etwa mit Waffengewalt zu unterdrücken. Aber selbst wenn dieser Massenwille nicht vorhanden wäre, würde der Kohlen-, Waggon und Lokomotivmangel der Demobilisierung große Schwierigkeiten entgegenstellen und sie über lange Zeiträume hinausziehen […] Zu erwarten und zu befürchten ist aber, daß große Teile, insbesondere der Regimenter aus jenen Ländern, die sich von dem alten Oesterreich so regellos losgesagt haben, einfach auf eigene Faust die Wanderung ins Hinterland aufnehmen werden. Man darf sich keiner Täuschung darüber hingeben, was es hieße, wenn viele Gruppen von Männern, die jahrelang im Felde gelegen sind, die Schweres erlitten haben, die noch dazu in der letzten Zeit nur mangelhaft ernährt wurden und plötzlich der Kommandogewalt ledig werden, nun plötzlich weite, zum Teile nur dünn besiedelte Gebietsteile – man denke an die Alpenländer – durchwandern. Wir könnten da Zustände öffentlicher Unsicherheit erleben, die an die wüstesten Zeiten des Mittelalters erinnern."

Tatsächlich sollte es nach dem Kriegsende am 11. November 1918 wegen der zurückströmenden Soldaten zu Unregelmäßigkeiten und fallweise sogar zu chaotischen Zuständen kommen. Aus diesem Grund sahen sich etwa die Wiener Bilder am 24. November 1918 dazu genötigt einen Aufruf des deutsch-österreichischen Staatsrats zu veröffentlichen, in dem plündernden und raubenden Soldaten mit der "unnachsichtlichen" Vollstreckung der Todesstrafe gedroht wurde.

Link:
Wie werden wir demobilisieren? (Neues 8 Uhr-Blatt vom 29. Oktober 1918)

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