Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
Seitenpfad
Ihre Position: Oesterreich100.at - Von Tag zu Tag 1917 bis 1919
Inhalt

Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

3. April 1918

Leopold Hilsner
Leopold Hilsner; © Illustrierte Kronen-Zeitung vom 3. April 1918

Am 3. April 1918 berichtete die Illustrierte Kronen Zeitung über den Fall Hilsner, der zu einem Beispiel antisemitisch motivierter Gerichtsprozesse wurde.

Am 31. März 1898 wurde im mährischen Polna die 18-jährige Agnes Hruza ermordet aufgefunden. Ohne jeglichen Beweis wurde der Jude Leopold Hilsner verhaftet. Weil in dieser Zeit antisemitische Vorurteile grassierten und man deshalb der jüdischen Bevölkerung Ritualmorde unterstellte, wurde auch Leopold Hilsner wegen Ritual- und Sexualmordes an der christlichen Agnes Hruza angeklagt. "1899 fielen in die Karwoche auch die jüdischen Osterfeiertage. Schon die ersten Erhebungen der Gendarmerie gründeten sich auf dem Ritualmordmärchen und beschäftigten sich hauptsächlich damit, ob der Leichnam der Hruza entblutet und was mit dem Blute geschehen sei" berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung. Laut antisemitischer Vorurteile hätte Hilsner das Mädchen geschächtet, um ihr Blut für Pessach zu erhalten.

Die Untersuchungen wurden nach kurzer Zeit eingestellt, aber die "Angelegenheit wurde nun im niederösterreichischen Landtag durch den Abgeordneten Ernst Schneider aufgenommen, der unter Drohungen gegen Justizminister Ruber verlangte, daß das Verfahren gegen Hilsner wieder eingeleitet werde. […] Nach fünftägiger Verhandlung verneinten die Geschwornen die auf Meuchelmord lautende Hauptfrage, bejahten dagegen die Frage der Mitschuld am Menschenmord. Das Urteil lautete auf Tod durch den Strang."

Leopold Hilsner legte mit Erfolg Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil ein und der Fall wurde zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dort wurde Hilser erneut erneut zum Tode durch den Strang verurteilt und "wurde zuerst in die Strafanstalt nach Pankratz gebracht und später auf seine Bitten in die niederösterreichische Strafanstalt in Stein bei Krems überführt, weil er die Gehässigkeit der Zellengenossen in Pankratz nicht länger ertragen zu können erklärte."

Auf Grund internationaler Proteste begnadigte Kaiser Franz Joseph Leopold Hilsner 1901 zu lebenslänglicher Kerkerhaft. Erst am Ostersonntag 1918 sollte Hilsner von Kaiser Karl begnadigt werden: "Ein kaiserlicher Gnadenakt hat Leopold Hilsner, dem 'Ritualmörder' von Polna, die Strafe nachgesehen. Nachdem Hilsner 18 Jahre im Kerker verbracht hat, ist er am Ostersonntag aus der Strafanstalt Stein entlassen worden. Die Geburt seines vierten Sohnes hat den Kaiser veranlaßt, eine Anzahl Verbrecher, die sich während der Strafzeit brav gehalten haben, zu begnadigen."

Leopold Hilsner lebte nach seiner Freilassung in Wien und starb 1928, bis heute wurde er nicht rehabilitiert. 2002 wurde am letzten Wohnhaus Hilsners in Wien und 2008 am Zentralfriedhof Wien eine Gedenktafel angebracht.

Links:
Leopold Hilsner – begnadigt (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 3. April 1918) 
Weiterlesen: Berger: Fall Hilsner markantes Beispiel für Versagen der Justiz 
Weiterlesen: Der Fall Hilsner 
Weiterlesen: Der Fall Hilsner: Ritualmord in Polna vor hundert Jahren 

Alle Einträge anzeigen: Von Tag zu Tag