Nach dem Ende der Monarchie 1918 stellte sich die Frage was mit dem ehemaligen Besitz des Kaiserhauses geschehen sollte. Manches wurde verkauft, um Staatsschulden zu bedienen, anderes wurde Fonds zugewiesen, um Kriegsinvalide zu unterstützen, während bestimmte Immobilien in öffentliches Eigentum übergingen. Am 3. Dezember 1918 berichtete beispielsweise der in Graz erscheinende Arbeiterwille über die weitere Nutzung der ehemaligen kaiserlichen Jagdschlösser in der Steiermark:
"Die Wirtschaftskommissare und die steiermärkische Landesregierung haben veranlaßt, dass die kaiserlichen Besitzungen in Steiermark, darunter auch die von Mürzsteg, Eisenerz und Radmer in die vorläufige Verwaltung der Landesregierung übernommen wurden und die Beamten dieser Verwaltung für den Dienst der Landesregierung angelobt werden. Die Beamten haben daher nur den Weisungen der Landesregierung Folge zu leisten. Durch diese Maßnahmen wird es möglich werden, vermöge des Wildreichtums in den kaiserlichen Jagdgütern, durch rasche Abschießung mehr Wild den Lebensmittelstellen zuzuführen."
Von den drei genannten Jagdschlössern blieb letztlich nur das Jagdschloss Mürzsteg dauerhaft im Besitz der Republik Österreich. Das Anwesen in Mürzsteg wurde 1869 vom begeisterten Jäger Kaiser Franz Joseph erworben, zweimal ausgebaut und vergrößert. Für Kaiserin Elisabeth wurde 1883 ein eigener Reitsteg, und 1886 ein Park rund um das Jagdschloss angelegt. Da das Mürzsteger Anwesen Kaiser Franz Joseph so wie auch seine Villa in Bad Ischl sehr ans Herz gewachsen war, wurde ihm zu Ehren im Rahmen der Jagdausstellung 1910 im Wiener Prater ein Nachbau des Jagdschlosses Mürzsteg im Maßstab 1:1 erbaut.
Kaiser Franz Joseph lud gerne Mitglieder der europäischen Hocharistokratie nach Mürzsteg zu sogenannten "Hofjagden" ein, darunter etwa den russischen Zaren Nikolaus II , den deutschen Kaiser Wilhelm II oder den englischen König Edward VII. Mürzsteg wurde auf diese Weise immer wieder auch der Schauplatz von Staatsbesuchen.
1938 von Nationalsozialisten beschlagnahmt, gelangte das Jagdschloss, das den Krieg unbeschädigt überstanden hatte, wieder in den Besitz der Republik Österreich. Es wurde 1947 aufgrund dessen Lage außerhalb der sowjetischen Besatzungszone und wegen der Nähe zu Wien offizieller Sommersitz der österreichischen Bundespräsidenten.
Für Karl Renner war Mürzsteg gewissermaßen sein sommerlicher Amtssitz, da er sich regelmäßig von Juni bis September im Jagdschloss aufhielt. Seine Nachfolger Theodor Körner, Adolf Schärf und Franz Jonas nutzten das Anwesen wegen der veralteten sanitären Anlagen seltener; für den rheumageplagten Bundespräsidenten Schärf war das Schloss außerdem zu feucht und kalt. Erst unter Rudolf Kirchschläger, der sich ebenso wie seine Nachfolger Thomas Klestil und Kurt Waldheim gerne dort aufhielt, wurde das Schloss baulich auf den neuesten Stand gebracht. Bundespräsident Heinz Fischer, heute Regierungsbeauftragter für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, nutzte das Jagdschloss besonders gerne, denn es bietet "Ruhe und die Gelegenheit zu ausführlichen, ungestörten Gesprächen und zu erholsamen Wanderungen", wie er erklärte. Auch Fischers Nachfolger Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist immer wieder gerne zu Gast im steirischen Mürztal.
Links:
Die kaiserlichen Besitzungen in Steiermark (Arbeiterwille vom 3. Dezember 1918)
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