Am 3. März 1919 meldete die Arbeiter-Zeitung, dass der österreichische Staatssekretär des Äußeren Otto Bauer im Laufe des Tages in Wien zu erwarten sei. Er hatte sich zuvor mehrere Tage in Weimar und Berlin aufgehalten, um mit der deutschen Regierung und insbesondere mit dem deutschen Außenminister Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau die Modalitäten des Anschlusses Deutschösterreichs an Deutschland zu besprechen. Die Rückreise aus Berlin sollte sich schwieriger als erwartet gestalten:
"Staatssekretär Bauer, der von Weimar nach Berlin gereist ist, kann auf normale Weise nicht zurückkehren. Die Fahrt durch Böhmen ist infolge der Absperrung unmöglich und der Zugsverkehr in Deutschland ist wieder durch verschiedene Streiks unterbunden. Er wird also nach Wien mittelst Luftschiffs – mit einem 'Großflugzeug' der Hamburg-Amerika-Linie – gelangen. Man nimmt an, daß er heute eintrifft. Auf dem Rückweg kann das Flugzeug drei Fahrgäste mitnehmen."
Die beiden Außenminister Otto Bauer und Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau waren sich über den Zusammenschluss der beiden Länder grundsätzlich einig. Die Regierung des gemeinsamen Landes wäre zwar in Berlin geblieben, hätte aber auch Sitzungen in Wien abhalten müssen, wo auch einige für die Verwaltung des Landes wichtige Institutionen angesiedelt werden sollten. Wien wäre damit gewissermaßen die Rolle einer "Nebenhauptstadt" zugefallen. Der Großteil des von Bauer und Brockdorff-Rantzau paraphierten "Protokoll betreffend den Abschluß eines Staatsvertrages über den Zusammenschluß des Deutschen Reichs und Deutsch-Österreichs" betraf aber technische Details der Vereinheitlichung des Verkehrswesens (beispielsweise fuhren deutsche Autos seit 1910 rechts, in Österreich wurde erst 1938 flächendeckend von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt), der diversen Industriestandards, des Bankwesens und ähnlichem mehr.
Als aber im Staatsvertrag von St. Germain die Unabhängigkeit Österreichs festgeschrieben wurde, war der "Anschluss" nicht mehr durchführbar, was Otto Bauer am 26. Juli 1919 zum Rücktritt als Außenminister veranlasste. Auch Brockdorff-Rantzau trat im Sommer 1919 zurück; allerdings aus Protest gegen die Bedingungen des Friedensvertrags von Versailles zwischen Deutschland und der Entente.
Link:
Rückkehr des Staatssekretärs Bauer (Arbeiter-Zeitung vom 3. März 1919)