Staatliche Sozialpolitik war in österreichisch-ungarischen Monarchie zu Beginn des 20. Jahrhunderts wenig ausgeprägt, sodass zahlreiche Initiativen ärmeren Menschen zu helfen, darunter auch wohltätigen Stiftungen, von Privaten ausgingen. Eine dieser Stiftungen, die "Siegmund und Regine Kauderssche Heiratsausstattungsstiftung für mittellose jüdische Bräute" lobte am 3. September 1918 2 "Plätze" für mittellose jüdische Bräute aus, damit sich diese für ihre Hochzeit ausstatten konnten. Die Höhe der Unterstützung betrug jeweils 220 Kronen (etwa 100 bis 150 Euro). Antragsberechtigt waren nicht nur Angehörige der weit verzweigten Familie Kauders – Mitglieder der Familie lebten unter anderem in der damals noch zu Ungarn gehörenden Gemeinde Eisenstadt, in Körmend oder im heute slowakischen Trnava (damals auch als Tyrnau bekannt) – sondern auch "Bräute österreichischer oder ungarischer Staatsangehörigkeit, unter welchen bei gleichen Verhältnissen nach Wien zuständige oder daselbst geborene und bis zur Zeit der Bewerbung in Wien wohnhaft gewesene Einschreiterinnen bevorzugt werden."
Mittellose jüdische Bräute, die sich um Unterstützungsgeld für ihre Heiratsausstattung bewerben wollten, mussten dies unter Beibringung von "Geburtsschein, Heimatschein, Armutszeugnis, Sittenzeugnis, Verlobungsnachweis, eventuell Verwandschaftsnachweis und Meldezettel" tun. Unter einem "Sittenzeugnis" versteht man heute übrigens eine Strafregisterbescheinigung.
Link:
Siegmund und Regine Kauderssche Heiratsausstattungsstiftung für mittellose jüdische Bräute (Wiener Zeitung vom 3. September 1918)