Am 30. Mai 1918 berichtete das Neuigkeits-Welt-Blatt vom Verkauf der im Eigentum von Johann von Liechtenstein stehenden Burg Greifenstein an den Wiener Großindustriellen Hugo Kostenitz. Die erstmals 1135 urkundlich erwähnte Wehrburg oberhalb von St. Andrä-Wördern nördlich von Wien wurde nach langen Jahren des Verfalls 1807 von Johann I von Liechtenstein erworben und restauriert, wobei das Innere mit Kunstwerken aus anderen der zahlreichen liechtensteinischen Liegenschaften geschmückt wurde. Als die Burg neuerlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu verfallen drohte, entschlossen sich die Eigentümer aus dem Hause Liechtenstein zum Verkauf. Doch auch Kostenitz sollte die Burg nur etwas länger als ein Jahrzehnt besitzen und nach mehreren Eigentümerwechseln gelangte sie 1960 in den Besitz des Hoteliers Hübner, der in dem Gemäuer ein Restaurant und einige historische Schauräume einrichten ließ. Allerdings wurden die gastronomisch genützten Räume durch einen Großbrand im Jahr 2006 weitgehend zerstört, sodass die Burgruine seit dem Feuer und einem neuerlichen Verkauf im Jahr 2017 für die Öffentlichkeit gesperrt ist.
Das Neuigkeits-Welt-Blatt vom 30. Mai 1918 berichtete aber über eine heute weitgehend vergessene Anekdote rund um Greifenstein: "Früher, als es noch keine Eisenbahn gab. Da pilgerten gar manche Wiener gegen Greifenstein, um dort das Gruseln zu erlernen. Denn irgendein findiger Kastellan hatte einstmals die Idee gehabt, ihnen einen mächtigen hölzernen Käfig zu zeigen, in dem Richard Löwenherz, der König von England und Rivale des Herzogs Leopold V von Oesterreich gefangen gehalten werden sei, und jahrzehntelang bestaunten Männlein und Weiblein den unförmlichen Marterkasten, der in der oberen Turmabteilung untergebracht war, bis es endlich den vereinten Bemühungen historisch Gebildeter gelang, dem Unsinn ein Ende zu machen und dem Schloß Dürenstein in der Wachau zu seinem historischen 'Rechte' in dieser Sache wieder zu verhelfen. Der hölzerne Kotter, welcher derart besser als das mächtige Gemäuer seit sieben Jahrhunderten alle Anstürme der Türken, Schweden und sonstigen Kriegerscharen überstanden hatte, verschwand eines Tages und seither hatte Greifenstein allen Reiz für die Wiener, 'die das Gruseln lernen wollten', verloren. Erwähnt sei, daß dieser hölzerne Käfig auch auf die reisenden Engländer eine große Anziehungskraft ausübte; er war mit zahllosen Namen beschrieben und trug allenthalben tiefe Wunden englischer Messer. Die reisenden Söhne Albions betrachteten nämlich diesen Stall als ein Nationalheiligtum und schnitten so viele Späne aus ihm, daß er schließlich schon recht wackelig geworden war."
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Die Feste Greifenstein (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 30. Mai 1918)