Heute vor hundert Jahren berichtete die in Wien-Landstraße erscheinende Heimat über die Folgen des Krieges für den Mittelstand und Gewerbebetriebe: "Eine der auffallendsten Folgen des Kriegszustandes ist die Schließung vieler kleiner Geschäfte. Die Ursachen der Betriebseinstellung sind verschiedener Natur: Einrückung des Eigentümers, Mangel an Betriebsmaterial oder Wegfall des gewohnten Kredites."
Daher erschien Hilfe der öffentlichen Hand für den "Mittelstand" (siehe auch die Geschichte vom 19. Februar 1918) als das Gebot der Stunde: "Je nach der Ursache der Betriebseinstellung wird also auch die Hilfeleistung verschieden sein müssen: Beschaffung von Stoffen, Maschinen oder Kredit wird die dringlichste Maßregel sein – im Wesen sind es also lauter Geldfragen, die zu lösen sind. Es wurde daher in einigen österreichischen Kronländern schon vor längerer Zeit daran gedacht, aus öffentlichen Mitteln eine Hilfe für jene zu organisieren, die aus Eigenem nicht imstande sind, bei der Rückkehr aus dem Kriege ihre kaufmännischen oder gewerblichen Unternehmungen gleich wieder aufzunehmen und deshalb in Gefahr sind, völlig zu verarmen."
Einige Kronländer hatten tatsächlich solche Hilfsleistungen bereits in die Wege geleitet. So war etwa der mährische Gewerberat der erste, der einen "Hilfefonds" eingerichtet hatte, aus dem im Krieg stehende Handwerker, Darlehen bis 3.000 Kronen bekommen konnten. Damit die Kreditnehmer nicht "von den Zinsen aufgefressen werden", übernahm die Brünner Handelskammer selbst einen Teil davon.
Auch im heutigen Österreich, genauer in Niederösterreich, wurden ebenfalls Maßnahmen zugunsten des Kleingewerbes getroffen: "In Niederösterreich hat der Landesausschuß eine Aktion eingeleitet, die sich auf das ganze Land erstrecken soll. Auch in den kleinsten Orten sollen vom Kriege betroffenen Gewerbsleuten Kredite durch langfristige Darlehen gewährt werden: Der Mann bekommt also, wenn er aus dem Kriege kommt, so viel Geld in die Hand, daß er seinen Betrieb wieder aufrichten und aus dem Ertrag das Darlehen abzahlen kann. Das Land muß natürlich Vorkehrungen treffen, um sicher wieder zu seinem Gelde zu gelangen. Deshalb wird die Gemeinde für die Heimkehrenden einreichen, selbst aber die Garantie übernehmen, was sie natürlich nur tun kann, wenn sie über den Bewerber, seine Vermögens Verhältnisse, seine Aussichten und seine Vertrauenswürdigkeit Günstiges weiß. Zu ihrer eigenen Sicherheit aber schließt die Gemeinde eine Versicherung auf das Leben des Kreditnehmers ab, so daß sie nur das verhältnismäßig geringe Risiko seiner immerhin möglichen Zahlungsunfähigkeit trägt. Die Rückzahlung soll in 10 Jahren erfolgen, wobei jedoch das erste Jahr nach Erhalt des Darlehens von jeder Zahlung freibleibt."
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Die Wiederaufrichtung des Gewerbes (Heimat vom 4. April 1918)